Die Eisprinzessin schläft
haben.
Mellberg machte sich hinter dem Schreibtisch breit. Er hatte das Hemd notdürftig in die Hose gestopft, aber die Kaffeeflecke waren überall auf dem bunten Muster zu erkennen. Während er unter berechnendem Schweigen jeden einzelnen der Teilnehmer musterte, schob er mit der rechten Hand seine Haare zurecht, die auf der einen Seite ein bißchen zu tief hingen. Patrik versuchte, nicht zu Erica hinüberzuschielen, und konzentrierte sich auf einen von Mellbergs Kaffeeflecken.
»Ja, also. Sie verstehen sicher, weshalb ich Sie hergebeten habe.« Mellberg legte eine lange Kunstpause ein. »Ich bin also Kommissar Bertil Mellberg, der Leiter der Tanumsheder Polizeidienststelle, und das hier ist Patrick Hedström, der mir bei dieser Ermittlung als Assistent zur Seite stehen wird.«
Er nickte Patrik zu, der ein Stück außerhalb des Halbkreises saß, den Erica, Henrik und Birgit vor Mellbergs Schreibtisch bildeten.
»Ermittlung? Sie ist also ermordet worden!« Birgit beugte sich auf ihrem Stuhl nach vorn, und Henrik legte ihr beschützend den Arm um die Schultern.
»Ja, wir haben festgestellt, daß Ihre Tochter sich nicht das Leben genommen haben kann. Selbstmord kann laut gerichtsmedizinischem Gutachten völlig ausgeschlossen werden. Ich kann selbstverständlich nicht auf alle Details der Ermittlung eingehen. Der Hauptgrund jedoch, weshalb wir wissen, daß es sich um Mord handelt, ist folgender: Zu dem Zeitpunkt, als ihre Pulsadern aufgeschnitten wurden, kann sie nicht bei Bewußtsein gewesen sein. Wir haben eine große Menge Schlafmittel in ihrem Blut gefunden. Während sie also nicht bei Besinnung war, hat sie vermutlich jemand, vielleicht waren es auch mehrere, erst in die Badewanne gelegt, dann das Wasser eingelassen und ihr schließlich mit einer Rasierklinge die Pulsadern aufgeschnitten, damit es wie Selbstmord aussah.«
Die Gardinen an den Fenstern waren zum Schutz vor der scharfen Mittagssonne zugezogen. Die Stimmung im Raum war zwiespältig. Gedrücktheit mischte sich mit Birgits offensichtlicher Freude, daß Alex sich nicht das Leben genommen hatte.
»Wissen Sie, wer es getan hat?« Birgit hatte ein kleines besticktes Taschentuch aus ihrer Handtasche gezogen und tupfte sich vorsichtig die Augenwinkel trocken, um ihr Make-up nicht zu verwischen.
Mellberg faltete die Hände über seinem voluminösen Bauch und sah die Versammelten scharf an. Er räusperte sich streng.
»Das können Sie mir vielleicht sagen.«
»Wir?« Henriks Verwunderung klang aufrichtig. »Wie sollen wir das wissen können? Es muß das Werk eines Irren sein. Alexandra hatte keine Feinde, und es gab niemanden, der ihr übelwollte.«
»Sie sagen es, ja.«
Patrik meinte einen Moment lang, einen Schatten über das Gesicht von Alexandras Gatten ziehen zu sehen. In der nächsten Sekunde war der wieder verschwunden, und Henrik war erneut er selbst, ruhig und beherrscht.
Patrik hatte immer eine gesunde Skepsis gegenüber Männern wie Henrik Wijkner empfunden. Männer, die mit einer Glückshaube geboren worden waren; die alles besaßen, ohne einen Finger krümmen zu müssen. Sicher machte er einen sympathischen und netten Eindruck, doch unter der Oberfläche spürte Patrik etwas, das auf eine weit komplexere Persönlichkeit hinwies. Hinter den schönen Zügen ahnte man Rücksichtslosigkeit. Vor allem hatte es Patriks Zweifel geweckt, daß in Henriks Gesicht jegliches Erstaunen fehlte, als Mellberg über den Mord an Alexandra informierte. Es zu glauben ist eine Sache, es dann aber als Tatsache zu erfahren ist etwas ganz anderes. Soviel zumindest hatte er in seinen zehn Jahren bei der Polizei gelernt.
»Stehen wir unter Verdacht?«
Birgit sah genauso verblüfft aus, als hätte sich der Kommissar vor ihren Augen in einen Kürbis verwandelt.
»Die Statistik spricht bei Mordfällen eine deutliche Sprache. Die meisten Täter kommen in der Regel aus dem engsten Familienkreis. Nun will ich nicht sagen, daß es in diesem Fall so ist, aber Sie verstehen sicher, daß wir uns Gewißheit verschaffen müssen. Wir werden jeden Stein umdrehen, das garantiere ich Ihnen persönlich. Mit meinen umfassenden Erfahrungen bei Mordfällen«, neue Kunstpause, »wird dieser hier bestimmt in Kürze gelöst sein. Ich möchte aber, daß Sie über die Tage um jenen Zeitpunkt herum Auskunft geben, an dem Alexandra nach unserer Vermutung gestorben ist.«
»Und um was für einen Zeitpunkt handelt es sich?« fragte Henrik. »Als letzte von uns hat Birgit mit ihr
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