Die Eissphinx
zur jetzt erreichten Breite ohne Unterbrechung fortsetzte und uns nicht zweifelhaft war, daß es einen der großen Continente des antarktischen Gebietes bildete.
Wenn die »Paracuta« dem Ufer später nicht mehr folgte, kam das daher, daß die Strömung weiter nach Norden zu verlief, während das Land mit einer Abrundung nach Nordosten hin immer weiter zurückwich.
War das Wasser dieses Theils des Meeres auch noch offen, so führte es doch schon eine wahre Flottille von Eisbergen und Eisfeldern mit sich, wovon letztere den Bruchstücken einer ungeheuern Glasscheibe glichen, erstere aber von bedeutender Oberfläche und recht beträchtlicher Höhe waren. Das verursachte sehr ernsthafte Schwierigkeiten und fortwährende Gefahren, vorzüglich bei den herrschenden dunkeln Nebeln, da wir gleichzeitig mit den beweglichen Massen fortrückten, und vorzüglich wenn wir einen Durchgang suchten und doch darauf achten mußten, daß unser Boot nicht wie ein Getreidekorn unter dem Mühlsteine zerdrückt wurde.
Zur Zeit konnte der Kapitän unsere Ortslage nach Länge und Breite gar nicht mehr feststellen. Bei dem Fehlen der Sonne und der allzugroßen Schwierigkeit der Berechnung nach Sternbeobachtungen war jede Höhenmessung unmöglich, und die »Paracuta« überließ sich also vollständig der Wirkung der Strömung, die, wie uns die Compaßnadel nun wieder zeigte, unabänderlich nach Norden verlief. Unter Zugrundelegung der mittleren Geschwindigkeit unseres Fahrzeugs konnten wir schätzungsweise jedoch annehmen, daß es sich am 27. März zwischen dem neunundsechzigsten und dem achtundsechzigsten Breitengrade, das heißt – ohne Berücksichtigung eines möglichen Irrthums – daß es sich nur noch einige siebzig Seemeilen von dem Polarkreise entfernt befinden werde.
Ach, wenn bei dieser gefährlichen Fahrt kein Hinderniß zu überwinden, wenn zwischen dem inneren Meere der Polarzone und dem Großen Ocean der Durchgang ganz frei gewesen wäre, dann hätte die »Paracuta« binnen wenigen Tagen die äußerste Grenze der tiefsüdlichen Meere erreichen können. Noch etwa einhundert Seemeilen aber, dann trafen wir auf den unbeweglichen Eiswall, und wenn sich hier keine benützbare Durchfahrt öffnete, mußten wir ihn von Osten nach Westen umschiffen. Hatten wir ihn freilich erst hinter uns, dann….
Nun, nach Ueberwindung des Eiswalls befänden wir uns in einem gebrechlichen Fahrzeuge auf dem schrecklichen Großen Ocean, und das zu einer Jahreszeit, wo sich die Wuth der Stürme verdoppelt und auch gute Schiffe seinem furchtbaren Wogenschlage nicht ungestraft trotzen.
Daran mochten wir gar nicht denken…. Der Himmel würde uns schon zu Hilfe kommen… wir würden aufgenommen werden… ja… von einem Schiffe aufgenommen werden…. Der Hochbootsmann versicherte das ja, und wir durften und wollten nur auf den Hochbootsmann hören!
Inzwischen fing die Meeresoberfläche an zu erstarren und schon mußte dann und wann eine größere Eisscholle zersprengt werden, um freien Weg zu bekommen. Der Thermometer zeigte nur noch vier Grad Fahrenheit (15°56 Celsius unter Null). Wir litten arg unter der Kälte und dem rauhen Winde in unserem verdecklosen Boote, obwohl wir genug Friesdecken zum Schutze hatten.
Zum Glücke besaßen wir noch eine für mehrere weitere Wochen ausreichende Menge conserviertes Fleisch, drei Säcke Schiffszwieback und zwei volle Fässer Gin. Süßwasser verschafften wir uns durch geschmolzenes Eis.
Nach sechs Tagen, am 2. April, gelangte die »Paracuta« allmählich nach dem eigentlichen Packeise, dessen oberer Rand oder Kamm bis zwischen siebenund achthundert Fuß über die Meeresfläche emporragte. Weder nach Westen noch nach Osten hin vermochten wir ein Ende des riesigen Walls zu entdecken, und wenn unser Boot auf keine offene Durchfahrt traf, wußten wir augenblicklich nicht, wie über jenen hinauszukommen wäre.
Dank einem überaus glücklichen Zufalle fand sich eine solche an genanntem Tage und wir steuerten unter tausend Gefahren hinein Jetzt bedurfte es wahrlich allen Eifers, aller Kühnheit und aller Gewandtheit unserer Leute und ihrer Vorgesetzten, um sich sozusagen aus der Schlinge zu ziehen. Den beiden Kapitänen Len und William Guy, dem Lieutenant Jem West und dem Hochbootsmann sind wir dafür zu ewigem Danke verpflichtet.
Endlich trieben wir auf dem Wasser des südlichen Großen Oceans. Während der langen und beschwerlichen Fahrt hatte unser Boot aber stark gelitten Seine Kalfaterung war verletzt, die
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