Die Elben - 03 - Der Krieg der Elben
gewesen und hatte den Elbenkönig auf dem anschließenden Feldzug ins Wilderland begleitet.
Eónatorn untersuchte den reglos daliegenden Elbenmagier.
Es dauerte nicht lange, bis er seinen Befund äußerte. »Er hat außer all seiner magischen Kraft auch seine Lebenskraft eingesetzt«, stellte der Heiler fest. »Dadurch ist der Zustand der Verklärung bereits weit fortgeschritten, und es ist fraglich, ob man seine Seele noch daran hindern kann, nach Eldrana einzugehen. Und…« Er schaute auf und sah Keandir direkt an.
»Verzeiht mir das offene Wort, mein König: Es stellt sich auch die Frage, ob wir das Recht haben, dies überhaupt zu tun.«
»Wir haben jedes Recht dazu!«, widersprach Keandir aufgebracht. »Ich bin sein Vater, und ich will, dass mein Sohn lebt!« Der Elbenkönig ballte die Hände zu Fäusten, tiefe Furchen gruben sich in sein Gesicht und bildeten ein Muster von markanten Linien, die es ungewöhnlich hart erscheinen ließen. »Davon abgesehen braucht die Elbenheit ihren größten Magier – jetzt, da wir mit diesem furchtbaren Gegner im Süden konfrontiert sind!«
Nein, Andir durfte sie nicht verlassen, dachte er, und dabei suchte er verzweifelt die innere Verbindung zwischen ihnen.
Wo war Andir? Wo war der Geist seines Sohnes?
Er erhielt keine Antwort auf diese drängenden Fragen, kein Zeichen, das ihm gesagt hätte, ob Andirs Geist noch in der Welt der Diesseitigen weilte. Die Vorstellung, dass einer seine Söhne vor ihm sterben würde – oder bereits gestorben war –, war ihm unerträglich. Anfangs hatte es geschienen, als hätte das Schicksal große Dinge mit den Zwillingsbrüdern Andir und Magolas vorgehabt. Doch wie sehr hatte sich diese Verheißung ins Gegenteil verkehrt! Andirs Tod wäre der traurige Gipfel dieser deprimierenden Entwicklung gewesen.
»Er atmet nicht mehr«, stellte Eónatorn fest. Für einen Elben war dies nicht ganz so bedrohlich wie für einen Menschen oder Zentaur, denn gerade stark vergeistigte Elben vermochten die Vorgänge in ihren Körpern zu kontrollieren und mitunter stark zu verlangsamen, sodass sie sehr lange auf Nahrung, Flüssigkeit und im Extremfall sogar auf das Atmen verzichten konnten. Andir hatte dies bei seinem Aufstieg zum Gipfel des Horns von Eldrana ja auch praktiziert wegen der wesentlichen dünneren Luft in diesen Hochgebirgsregionen.
Andererseits aber war auch bei Elben das Aussetzen der Atmung ein Zeichen des beginnenden Todes.
Keandir fasste Eónatorn bei den Schultern. »Ich beschwöre Euch, werter Heiler, rettet meinen Sohn! Ich erhalte keine geistige Verbindung mehr zu ihm, die ich während des Gefechts noch hatte, und…« Er verstummte.
»Ich würde gern die Kollegen der Heilerzunft um Rat fragen«, sagte Eónatorn mit ruhiger Stimme, »und vielleicht auch Brass Shelian und seine Schamanen.«
»Bis dahin ist es zu spät«, widersprach der König. »Die Zeit drängt, das fühle ich!« Seine Augen wurden schmal, während sein durchdringender Blick den Kriegsheiler fixierte. In dessen Gesicht war nicht viel Hoffnung zu lesen.
Eónatorn gab zunächst keine Antwort. Er spreizte die Finger, berührte mit den Spitzen Andirs Stirn und schloss dabei die Augen. Dann murmelte er eine Formel in der Heilsprache, die nur von fortgeschrittenen Heilern beherrscht wurde und nicht ganz unumstritten war. Diese wahrscheinlich bereits in der Vorzeit Athranors geschaffene Heilersprache, die ausschließlich magischen Heilformeln vorbehalten war, stand im Verdacht, starke Nebenwirkungen zu verursachen und war deswegen bei der Mehrheit der Heilerzunft in Verruf geraten.
Es war von Fällen berichtet worden, bei denen die Behandelten anschließend unter starker Verwirrung litten, einige sogar unter dauerhafter geistiger Umnachtung. Da die spirituelle Schwäche der Elben allerdings nicht nur Magier und Schamanen, sondern in weniger gravierender Form auch die Heiler betraf und viele Behandlungsmethoden mehr oder minder schleichend an Wirksamkeit eingebüßt hatten, wurde die Heilsprache inzwischen wieder angewendet. Denn es bestand kein Zweifel daran, dass durch ihren Gebrauch die Wirkung von Heilsprüchen stark erhöht wurde.
»Ich bin mir nicht sicher, ob sein Geist nicht bereits in Eldrana weilt«, sagte Eónatorn mit ernstem Gesicht, nachdem er die Fingerspitzen wieder von Andirs Stirn gelöst hatte.
»Die Elbenheit braucht ihn«, sagte Sandrilas hart. »Das hat die Schlacht um den Elbenturm in aller Deutlichkeit gezeigt.
Jemandem wie Andir darf es
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