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Die Elben - 03 - Der Krieg der Elben

Die Elben - 03 - Der Krieg der Elben

Titel: Die Elben - 03 - Der Krieg der Elben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Bekker
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und Herausforderungen an Euch stellt. Und abgesehen davon verfeinern sich die anderen Sinne deutlich, wie ich Euch aus eigener Erfahrung sagen kann, wenn ein Sinn geschwächt ist oder gar nicht mehr zur Verfügung steht. Vielleicht entwickelt sich gerade aus der Schwäche ein neues Talent.«
    »Das mag für außergewöhnliche Künstler wie Gesinderis den Gehörlosen gelten – und vielleicht für eine so unelbisch optimistische Frohnatur wie Euch. Aber nicht für mich, werter Siranodir.« Rhiagon deutete mit ausgestrecktem Arm aus dem Fenster, das einen hervorragenden Blick auf die Hafenanlage gestattete; nur ihm nicht, der keine Augen mehr hatte, um eine derartige Aussicht zu erfassen. »Dort müsste die ›Tharnawn‹
    im Hafen liegen – das Flaggschiff unseres Königs, bereit zu einem neuerlichen Vorstoß nach Naranduin.«
    »So ist es«, bestätigte Siranodir.
    »Ich höre das Schlagen der Segel, die man bereits hochgezogen hat. Ich höre die Gespräche der Matrosen, die Fachsimpelei des Steuermanns. Und ich weiß, dass dieses Schiff jeden Moment ablegen kann. Ich nehme an, Ihr werdet mit an Bord sein?«
    »Das stimmt«, sagte Siranodir.
    »Seht Ihr? Das ist der Unterschied. Ich werde in diesem Gemach ausharren, statt auf die Reise zu gehen und mich den Feinden des Reichs zu stellen. Und da dies Quartier den Angehörigen der Einhandgarde vorbehalten ist, werde ich ständig die vertrauten Stimmen meiner Kampfgefährten vernehmen, die mich mit jedem Herzschlag daran erinnern, dass ich nicht mehr Teil von ihnen bin. Selbst wenn mir ehrenhalber der Rang belassen werden soll – das ist ein schwacher Trost.«
    Siranodir atmete tief durch. Ihm war bewusst, dass Rhiagon einen schweren Weg vor sich hatte. »Ich bin überzeugt davon, dass Ihr es eines Tages schaffen werdet, die Beschränkungen Eures fehlenden Augenlichts zu akzeptieren und auszugleichen«, erklärte er und gab damit einer ehrlich empfundenen und von Mitgefühl geprägten Hoffnung Ausdruck.
    Rhiagon lag eine Antwort auf der Zunge, um Siranodir vehement zu widersprechen. Er hatte den Mund bereits halb geöffnet, und es schien so, als sollte im nächsten Moment ein Schwall von Worten über seine Lippen kommen, mit denen der Elb noch einmal sein Schicksal beklagen würde. Aber das geschah nicht. Er blieb stumm.
    Stattdessen vernahm Rhiagon plötzlich eine Stimme unbekannter Herkunft, die in der Tiefe seiner Seele zu erklingen schien:
    »Ich werde dir geben, was du begehrst, Rhiagon«, versprach diese Gedankenstimme in seinem Kopf, und der Hauptmann der Einhandgarde empfand einen eisigen Schauder. Aber die Gewissheit, mit der sich diese Stimme zu ihm äußerte, war unerschütterlich. »Noch kennst du mich nicht. Aber wenn es so weit ist, wirst du wissen, wem du Dank schuldest und wer dein Leben wieder zu dem gemacht hat, was du dir darunter vorstellst…«
    Rhiagon wandte ruckartig den Kopf.
    »Was ist mit Euch, Rhiagon?«, fragte Siranodir verwirrt.
    »Sagt, habt Ihr etwas gehört, das mir aufgrund meiner eigenen Sinneseinschränkung entgangen ist?«
    Aber Rhiagon schüttelte den Kopf. »Es ist nichts«, behauptete er. »Gar nichts.«
    Ein Hornsignal ertönte. Es kam vom Hafen und verkündete, dass die »Tharnawn« fertig war zum Auslaufen.
    »Ihr solltet besser gehen, werter Siranodir«, sagte Rhiagon.
    »Ich kann mir nicht vorstellen, dass Ihr außer für den virtuosen und für Eure Feinde stets schmerzvollen Umgang mit Euren beiden Klingen Hauen und Stechen auch noch dafür berühmt werden wollt, dass Ihr den König warten lasst.«
    »Wenigstens vermag ich noch ein so durchdringendes Hornsignal aus nächster Nähe zu hören…«, murmelte Siranodir. Er trat etwas näher an Rhiagon heran und sagte zögerlich: »Ich lasse Euch nicht gern hier zurück, Rhiagon, denn ich habe das Gefühl, dass Eure Seele durch Euren körperlichen Verlust ihre Festigkeit verloren hat. Es tut mir leid, Euch das sagen zu müssen. Kriegsheiler Eónatorn berichtete mir, Ihr hättet ihn weggeschickt.«
    »Das ist richtig.«
    »Und ebenso berichtete mir dies die Heilerin Nathranwen, die immerhin im Dienst des Königshauses steht und eine der fähigsten Heilerinnen ihrer Zunft ist.«
    »Niemand hegt an den Verdiensten und dem Können der Genannten auch nur den geringsten Zweifel«, versicherte Rhiagon. »Weder was die Leistungen von Nathranwen noch die Fähigkeiten Eónatorns betrifft, wobei ich dessen Kunst sogar noch höher einschätze als die der berühmteren Nathranwen –

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