Die Elben - 03 - Der Krieg der Elben
Finsternis.
Ein willfähriger Diener des Bösen wird die Elbenseele durch die Erfüllung ihrer größten Hoffnung.
Die Verbotenen Schriften
(früher bekannt als: Das Buch Branagorn – Codex IV, abweichende und vermutlich durch Redaktor B
ergänzte Fassung, die etwa 150 Jahre nach der Niederschrift an 22 Stellen durch Redaktor C verstümmelt und ihrer immanenten Widersprüche beraubt wurde.) Unter den Elben aber wurden die verklärten Toten die Eldran genannt, während man die vergessenen Toten als Maladran bezeichnete. Selten aber sprach man von jenen, die noch nicht geboren waren, und noch seltener wagte man es, den Namen auszusprechen, den die Elbenheit ihnen gegeben hatte: die Uldran. Ihr Reich hieß Uldrana, die Sphäre der ungeformten Seelen. Manchmal aber erschien eine unter ihnen, die schon geformt war, noch ehe ihre Existenz begonnen hatte. Erwachte Uldran nannte man sie, und sie blieben Rätsel, deren Ursache auch die Weisesten der Heilerzunft niemals lösen konnten.
Das Buch der Heiler von Athranor
Es war am zweiten Tag nach dem Aufbruch König Keandirs nach Naranduin, als mich die Königin Ruwen zu sich rief und mir eröffnete, dass sie glaubte, in der Nacht vor dem Auslaufen der »Tharnawn« ein Kind empfangen zu haben.
Auch für eine Heilerin ist es zu diesem frühen Zeitpunkt ausgesprochen schwierig, eine Schwangerschaft zu bestätigen, denn normalerweise gelingt dies nur, wenn der Geist des Ungeborenen bereits einen gewissen Grad der Ausformung erreicht hat.
»Ich spürte es deutlich«, erklärte Ruwen. »Und ich hatte bereits eine Gedankenverbindung zu seiner Seele!«
»Seiner Seele?«, fragte ich. »So seid Ihr sicher, dass es ein Junge ist?«
»Sein Name ist Eobal. «
»Wollt Ihr nicht warten, bis Ruer Gemahl zurück ist, um gemeinsam mit ihm über einen Namen zu beraten?«
»Er trug diesen Namen bereits, und seine Gedanken haben ihn mir zugeflüstert. Ich glaube nicht, dass es gut wäre, ihm einen anderen zu geben. Auch Andirs und Magolas Namen wusste ich im Voraus. Aber das geschah aufgrund von Ahnungen und dem Erspüren von Schicksalslinien. Doch diesmal ist es anders. «
Ich scheute mich erst, meine Vermutung auszusprechen, und führte zunächst die notwendigen Untersuchungen und Rituale durch. Anschließend bestand kein Zweifel mehr.
»So ist Euer ungeborener Sohn Eobal ein Erwachter Uldran«, sagte ich. »Eine schon zum Zeitpunkt der Zeugung vollständig geformte Seele. Das erklärt es, dass Ihr Verbindung zu seinem Geist aufnehmen konntet und er Euch seinen Namen mitteilte.
Seit dem Aufbruch aus Athranor hat es so etwas unter Elben nicht mehr gegeben.«
Ruwens Lächeln wirkte matt und abgeschlagen. Das Glück einer werdenden Mutter habe ich unzählige Male gesehen.
Das, was in Ruwens Zügen aufschien, hatte damit nicht das Geringste zu tun.
»Eine Gunst der Namenlosen Götter, so sagt man. Und vielleicht ein Zeichen dafür, dass ihr Interesse am Geschick der Elbenheit wieder erwacht ist. Die Schamanen wird das sehr freuen und ihnen Anlass zu mannigfacher Spekulation geben.« Ich studierte ihr Gesicht und spürte die gedrückte Aura sehr deutlich, von der die Königin umflort wurde. Anstatt sich zu freuen, dass der Königin der Elben zum Zeitpunkt der größten Bedrängnis ihres Volkes abermals ein Zeichen der Hoffnung geschenkt wurde, wirkte sie tieftraurig, und ich war auf erschütternde Weise an den Trübsinn jener Unglücklichen erinnert, die sich während der langen Seereise aus Lebensüberdruss in die Fluten des zeitlosen Nebelmeeres stürzten, um ihrer eigenen Melancholie zu entgehen.
Die Königin sprach mit belegter Stimme: »Die Blutlinie Keandirs scheint verdammt, denn jeder Segen hat sich bisher in einen Fluch verwandelt – und so wird es auch diesmal sein!«
» Wie könnt Ihr so etwas sagen, meine Königin?«
Ich gestehe es ungern, denn eigentlich war ich der Königin stets treu ergeben, und oft genug hatte ich die Rolle einer Vertrauten für sie inne. Doch in diesem Moment packte mich blanker Zorn. Wie konnte eine Elbin, die von der Natur oder den Namenlosen Göttern oder dem Schicksal oder wem oder was auch immer so über die Maßen gesegnet worden war, solches äußern? Ich selbst habe vielen Elbenkindern auf die Welt geholfen und immer bedauert, nicht selbst Mutter geworden zu sein, denn es gibt nichts, was ich mehr ersehnt hätte. Mein geliebter Sabastonir erlag während der großen Seereise der Krankheit des Lebensüberdrusses, wie so viele andere auch.
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