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Die Elfen 01 - Vor der Elfendämmerung

Titel: Die Elfen 01 - Vor der Elfendämmerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Louis Fetjaine
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Nasenlöcher und Augen, und dann versank das Gesicht langsam im Morast. Eine ganze Zeit lang war nur mehr - schauerliches Detail - die Fiederung der Pfeile, die ihn getötet hatten, an der Oberfläche des Tümpels zu sehen, dann verschwanden auch sie, und nichts mehr blieb übrig von Miolnir, dem Bannerträger des Königs Baldwin, der einen ehrlosen Tod gefunden hatte, weit, weit fort von seinen geliebten Bergen ... Tsimmi schüttelte traurig den Kopf.
    »Ich hab ihn seit mindestens fünfzig Jahren gekannt«, sagte er. »Und zugleich haben wir eigentlich nie richtig miteinander geredet, bevor wir auf dieses Abenteuer ausgezogen sind ... Er war eben ein Krieger. Und die reden nie besonders viel ...«
    Uther sah den Meister der Steine ernst an. Miolnirs Tod rief ihm den Tod Roderiks ins Gedächtnis, der erst so kurz zurücklag und doch schon so lange her erschien in seiner Erinnerung. Sie hatten ihre Ausbildung gemeinsam durchlaufen und sich schon immer gekannt ... Aber was bedeutete das für diese zweihundertjährigen Zwerge, für die die Zeit endlos ist?
    »Wie alt bist du, Tsimmi?«, fragte er unvermittelt, eine Frage, die so aus dem Zusammenhang fiel, dass Lliane und der Barbar die Brauen hoben.
     
    »Ich bin hundertzweiunddreißig Jahre alt«, erwiderte der Meister der Steine. »Eigentlich eher schon hundertdreiunddreißig. Mitten im besten Mannesalter ...«
    »Wie stellt ihr es an, so lange ohne Überdruss zu leben?«
    Tsimmi nickte von neuem und lächelte, als könnte er die Stimmung und den verschrobenen Gedankengang des jungen Mannes nach vollziehen.
    »Das Leben ist ein Zyklus, Uther. Und der Zyklus der Zwerge ist länger als der der Menschen. Überdruss, Lebensmüdigkeit, der Verlust unseres Lebenswillens und unseres Enthusiasmus treten bei uns erst nach langen Jahren auf. Bei euch geht das schneller, aber euer Leben ist kürzer. Die Natur hat das alles gut eingerichtet... Davon abgesehen scheinst du mir dennoch ein wenig zu jung zu sein, um dir derartige Fragen zu stellen!«
    »Das liegt in der Natur des Menschen«, sagte Lliane im Nähertreten.
    Sie nahm Uthers Gesicht zwischen ihre langen Finger und blickte ihn zärtlich an. Nein ... Nicht ausschließlich zärtlich. Es war noch etwas anderes in ihrem Blick: Neugier, Verständnislosigkeit, Neid? »Die Menschen lieben das Leben nicht und haben trotzdem Angst vor dem Tod«, fuhr sie fort und blickte ihn weiterhin, ihren Körper gegen den seinen, starr an. »Und das ist auch der Grund, warum sie diese Bitterkeit mit sich herumschleppen, diese Gewalttätigkeit, dieses Bedürfnis, etwas aufzubauen, sich zu verewigen, der Erde ihr Siegel aufzudrücken. Arme Menschen, die nicht existieren, wenn sie nicht ihren Namen in die Rinde eines Baums kratzen ...«
    »Aber nein!«, rief Uther und machte sich von der Königin los, deren Sätze ihm gar nicht gefielen. »Die Menschen ...«
    Er suchte nach Worten, der helle Blick der Elfe und der unter buschigen Brauen hervorstechende des Zwergs verwirrten ihn. Ärgerlich wandte er sich ab und blickte auf den Sumpftümpel, der Miolnir zum Grab geworden war.
    Und dann plötzlich ließ ein spitzer Schrei wie der eines Vogels sie zusammenzucken, und alle hoben ihre Waffen. »Das sind sie!«, flüsterte die Königin. »Das sind die Elfen!«
     
    Tsimmi versuchte sich so klein wie möglich zu machen und krampfte in Erwartung einer Salve von Pfeilen seinen Körper zusammen, während er nervös seinen schweren Kriegsmantel dichter um sich zog.
    Rings um sie herum regte es sich in den hohen Gräsern, ertönten lang gezogene Vogelschreie, und flüchtige Schatten huschten hinter den weißen Birkenstämmen umher. Die Grauen Elfen kamen näher, waren aber unentschlossen. Sie waren logischerweise unentschlossen, denn hier stand eine aus dem alten Geschlecht Morigans, einer jener Hohen Elfen mit blauer Haut und stolzer Haltung, wie sie in den Sümpfen von Gwragedd Annwh so gut wie nie auftauchten.
    Lliane bewegte sich auf sie zu. Dann richtete sie sich zu ihrer vollen Größe auf, straffte die Schultern und sah unbeweglich wie eine Statue den raschen Zickzackbewegungen der Sumpfelfen zu. Als sie dann weniger als fünfzig Meter entfernt waren, begann sie zu sprechen, in ihrem zischenden Dialekt, der sich wie ein rauschender Wildbach anhörte. Sie hob die Stimme nicht und sprach sie unaufhörlich direkt an, wie ein Schlangenbeschwörer oder ein Bärenführer, und dabei hielt sie beide Hände mit den offenen Handflächen hoch, um ihnen zu

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