Die Elfen 04 - Die Elfenkönigin
es besser. Er war ein Gestrandeter aus einem fremden Zeitalter.
»Falrach!« Die Stimme war jetzt nicht mehr in seinem Kopf. Eine rauchige, leise Frauenstimme hallte durch den Tunnel. »Falrach!«
Der Ruf hatte etwas Magisches. Er war genauso zwingend wie jene Stimme, die in seinem Kopf erklungen war. Der Elf beschleunigte seine Schritte und gelangte bald ans Ende des Tunnels. Ein weiter, von Wasser überfluteter Saal lag vor ihm. In seiner Mitte erhob sich eine flache Insel. Dort kauerte die Gazala. Emerelle hatte voller Zorn von der Seherin erzählt.
Auf ihre Art ist sie hübsch, dachte Falrach. Sehr ungewöhnlich, aber hübsch. Er war noch nie einer Gazala begegnet. Seherinnen und Spieler passten nicht gut zusammen.
Sie winkte ihm zu. »Komm, Falrach.«
Er stieg in das brackige Wasser und watete zur Insel. Firaz wartete reglos. Sie stand neben einer Feuerschale, aus der duftende, dichte Weihrauchschwaden aufstiegen. Als er ans Ufer trat, kam sie ihm entgegen. Zärtlich wie eine Liebende legte sie ihm eine Hand auf die Wange. Sie sah ihn durchdringend an. Nicht einmal blinzelten ihre hellbraunen Augen.
»Du hast eine lange Reise gemacht«, sagte sie schließlich vieldeutig. »Noch nie ka jemand wie du zu mir.«
Er wusste nicht recht, was er dazu sagen sollte.
»Fürchtest du dich vor Ollowain?«
»Nein.« Er sagte es ein wenig zögerlich, verwundert darüber, dass die Seherin ihm Fragen stellte.
Sie nahm seine Hand und betrachtete das Netzwerk der Linien. Nur einen Augenblick lang. Dann schüttelte sie den Kopf. »Hier kann ich dein Schicksal nicht lesen. Du warst einst ein Schlachtenlenker. Und dein Leib gehörte einst dem Schwertmeister der Königin. Komm mit mir!«
Sie ging zu einer Mulde am hinteren Ende der Insel. Dort standen sieben Ledersäcke in einer Reihe. Sie wählte den dritten aus und öffnete dessen Verschnürung. »Greif hinein, Falrach. Ganz gleich, was dabei geschieht! Greif mit beiden Händen zu. Hol heraus, was immer du zu packen bekommst, und lass es vor mir auf den Boden fallen.«
Falrach tat, wie ihm geheißen. Der Sack war voller scharfkantiger Metallstücke. Er schnitt sich.
»Du darfst nicht loslassen. Nimm, was du als Erstes berührt hast. Das ist wichtig!«
Wieder schnitt er sich. Falrach kämpfte den Reflex nieder, einfach loszulassen. Er zog die Hände aus dem Sack. Klirrend fiel das Metall zu Boden. Es waren Bruchstücke von Schwertklingen. Manche so breit wie drei Finger. Andere nur winzige Splitter. An den meisten Stücken haftete frisches Blut. Ungläubig blickte er auf seine offenen Hände. Die Innenflächen waren zerfurcht von einem Netzwerk von Schnitten. Blut troff aus den Wunden auf den Boden.
Firaz hatte sich über das Muster aus Metallsplittern und verwischtem Blut gebeugt. »Kannst du etwas zur Seite gehen? Wenn jetzt noch weiter Blut nachtropft, verdirbt es das Orakel.«
Falrach gehorchte, wandte den Blick aber nicht von seiner verletzten Hand ab. »Was ist das?«
Die Gazala machte mit einem ärgerlichen Winken klar, dass sie nicht gestört werden wollte. Aufmerksam betrachtete sie das Muster auf dem Boden. Dabei wiegte sie sich leise summend vor und zurück.
Falrach zog sich einen kleinen Metallsplitter aus der Hand und ließ ihn zu Boden fallen. Die Wunden waren allesamt nicht tief, aber zwei von ihnen bluteten stark. Er drückte die Wundränder zusammen und sah der Gazala zu.
Es dauerte schier eine Ewigkeit, bis sie sich erhob und ihn ansah. »Du bist mehr, als du scheinst, Falrach.«
Er musste sich beherrschen, um sich seine Enttäuschung nicht unmittelbar anmerken zu lassen. Was für ein nichtssagender Spruch! Das hätte ihm auch irgendeine Gossenwahrsagerin in einer beliebigen Stadt sagen können.
»Ollowain wird zurückkommen. Aber es wird nicht der Schwertmeister von einst sein. Und du entscheidest darüber, was für ein Mann er sein wird. Du kannst ihn auch aufhalten. Jetzt, in dieser Nacht. Ich könnte dir dabei helfen.« Das war jetzt so weit von jedem Jahrmarktswahrsagergewäsch entfernt, dass er sie einfach nur verdattert ansah. »Wie kann ich ihn denn aufhalten?«, brachte er schließlich heraus.
»Ollowain ist tot. Er ist ermordet. Seine Erinnerung, alles, was sein Leben ausmachte, ist fort. Aber etwas ist geblieben. Stell es dir wie ein großes, leeres Gefäß vor. Ein Gefäß, das begierig ist, gefüllt zu werden. Es nimmt alles in sich auf, was du über Ollowain hörst. Wie er gelebt hat, was er getan hat. Wenn es weit genug gefüllt
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