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Die elfte Geißel

Die elfte Geißel

Titel: Die elfte Geißel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aurélien Molas
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Kennnummer 806342. Ich bin in Begleitung von Lieutenant Apolline. Wir haben Leichen gefunden. Hören Sie zu, verdammt! Jemand hat versucht, in einer Fabrik, zwei Kilometer von Montreuil entfernt, Leichen verschwinden zu lassen. Wir wurden beschossen. Zwei Verdächtige. Sie müssen sofort ein Einsatzkommando und ein kriminaltechnisches Team dorthin schicken. Die Verdächtigen halten sich noch immer dort auf und werden vielleicht versuchen, Beweise zu vernichten. Ich ...«
    Sie hielt mitten im Satz inne und schwieg einige Sekunden lang, ins Leere starrend, als könnte sie das, was ihr Gesprächspartner sagte, nicht fassen. Schließlich explodierte sie.
    »Aber das ist unmöglich! Hören Sie mir zu! Ich sage dir doch, dass das unmöglich ist! Man hat versucht, uns umzubringen! Verstehst du, was ich dir sage, Dummkopf!«
    Wütend tippte Zoé auf die Tasten ihres Handys.
    »Mist! Mist! Verfluchter Dreckskerl!«
    Sie schlug mit der Faust auf ihr Mobiltelefon, bis es ganz zertrümmert war, und wandte sich leichenfahl Léo zu.
    »Sie haben mir gesagt, sie wären bereits verständigt worden. Kommissar Rilk hätte zwei seiner Männer losgeschickt. Sie haben gemeldet, dass sie Verdächtige festnehmen wollten, und dabei haben sie auf uns geschossen! Aber warum? Sag mir, wieso Kollegen von uns versucht haben, uns kaltzumachen?«, schrie Zoé.
    »Keine Ahnung!«, brüllte er zurück. »Ich weiß es nicht!«
    Als sie ein Wohngebiet erreichten, wurden sie ruhiger. Die Lichter hinter den Fenstern und die wenigen Passanten vermittelten ihnen ein Gefühl von Sicherheit.
    »Wir dürfen niemanden mehr anrufen. Niemand darf wissen, wo wir uns aufhalten. Sie haben den Wagen und das Nummernschild gesehen. Wir müssen ihn so schnell wie möglich loswerden.«
    »Wohin fahren wir?«, fragte Zoé.
    »Zu mir, dort sind wir sicherer als in Nanterre.«
    Léo gab noch mehr Gas und fuhr ins 20. Arrondissement hinein. Seine Nerven waren zum Zerreißen gespannt. Die Lage spitzte sich bedenklich zu. Selbst die Zeit schien zu schrumpfen. Die Minuten verstrichen immer schneller. Und das Gespenst einer neuen verheerenden Krise ließ ihm keine Ruhe. Die fiebrige Unruhe in seinem Körper versetzte ihn in Panik. Bei jeder Kurve schwirrten ihm die Sinneseindrücke nur so im Kopf herum und gefährdeten seine Fahrtüchtigkeit.
    Er lehnte sich an die Wagentür, hielt die Augen weit aufgerissen, um die vorbeiziehenden Fassaden und Straßenlaternen in sich aufzunehmen, und vor allem, um nicht in einem paradoxen Schlaf zu versinken, der von Alpträumen heimgesucht wurde.
    Der orangefarbene Schimmer, der einen Teil des Himmels färbte, als sie sich dem 10. Arrondissement näherten, zwang sie dazu, langsamer zu fahren. Ein Polizeikordon unter dem Bogen der Porte Saint-Denis versperrte die Zufahrt. Hunderte von Personen strömten zusammen, um zu beobachten, was sich auf der Straße ereignete. Feuerwehrautos und Krankenwagen mit heulenden Sirenen rasten aus den Querstraßen in die Rue du Faubourg Saint-Denis hinein, die in dichte Rauchschwaden gehüllt war. Über den Dächern war der Himmel in gelbrote Glut getaucht. Eine Schicht aus Asche bedeckte Gehsteige und Gebäude und häufte sich wie gräulicher Schnee in den Rinnsteinen an. Die großen Boulevards wurden von gepanzerten Fahrzeugen dominiert, aus denen Bereitschaftspolizisten sprangen. Léo wollte den Sicherheitsgürtel umfahren, aber Polizisten in Uniform versperrten ihm den Weg. Einer klopfte auf die Motorhaube und brüllte:
    »Drehen Sie um! Sie können hier nicht durch! Stoßen Sie zurück!«
    »Was ist denn hier los?«
    Zoé nahm ihren Dienstausweis heraus und hielt ihn dem Polizisten vor die Nase.
    »Verzeihen Sie, Madame. Aber auf der Straße herrscht das totale Chaos. Etwas weiter oben ist ein Brand ausgebrochen, und als die Feuerwehr eintraf, wurde sie von Halbstarken angegriffen. Dann lief die Sache aus dem Ruder. Sie haben zehn Autos angezündet und bewerfen die Feuerwehrleute, die die Brände löschen wollen, mit Steinen.«
    Léo spürte, wie sich ihm der Magen zusammenschnürte.
    »Wo ist der Brand ausgebrochen?«
    »Weiter oben in der Straße. Im Haus Nr. 54.«
    Léo drückte den Laptop fester an sich.
    Jemand hatte Feuer in seiner Wohnung gelegt.
    Die Welt um ihn herum stürzte ein. Er stieg mit dem Gefühl aus, dass seine Füße nicht den Boden berührten. Was um ihn herum geschah, nahm er in Zeitlupe wahr. Er hörte Zoés Stimme wie von fern und spürte kaum die Wärme des Polizisten, der

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