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Die elfte Geißel

Die elfte Geißel

Titel: Die elfte Geißel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aurélien Molas
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Heuhaufen. Er konnte nur hoffen, dass der Rechtsmediziner ihnen die fehlenden Antworten geben würde.
    »Herr Professor! Machen Sie auf!«
    Musil klopfte an die Tür. Keine Antwort. Er beugte sich dicht ans Fenster und betrachtete das Innere einer Küche, die in Dunkelheit gehüllt war. Im hinteren Bereich des Zimmers glaubte er eine Bewegung wahrzunehmen. Er klopfte stärker und spitzte die Ohren. Leise Musik, kaum ein Säuseln, war durch die Tür zu hören.
    »Lass uns hintenrum gehen.«
    Der Rasen um das Haus wurde von uralten Bäumen gesäumt. Das Blattwerk verdeckte die untergehende Sonne und schattierte den Garten in verschiedenen dunkelgrünen Tönen. Das Licht hinter den Gardinen im ersten Stock flackerte. Der Capitaine kniff die Augen zusammen, in dem Bemühen, ins Innere des Schlafzimmers hineinzusehen.
    »Wir werden ihm seine Liebesnacht verderben«, feixte Musil. »Man könnte meinen, du wärst darauf abonniert, anderen Leuten auf die Nerven zu gehen.«
    »Heute Abend ist mir wohl jemand zuvorgekommen«, sagte Broissard, während es unter seiner Sohle knirschte.
    Spitze Splitter übersäten den Boden. Er deutete auf das zertrümmerte große Glasfenster im Wohnzimmer und legte einen Finger auf den Mund, um Musil aufzufordern, still zu sein.
    Broissard stieg als Erster durch das Fenster ins Wohnzimmer. Ein riesiges Aquarium schimmerte in einem türkisfarbenen Licht, das von der weißen Decke zurückgeworfen wurde. Exotische Fische schwammen seltsam unruhig durchs Wasser, als ob die Angst zwischen den Glasscheiben Einzug gehalten hätte. Der Kommissar sicherte die entgegengesetzte Ecke des Zimmers, indem er zwischen dem Sofa und den sperrigen Clubsesseln hindurchschlüpfte. Er drehte sich, schlich dicht an den mit abstrakten Gemälden behängten Wänden entlang und stieg über den niedrigen Couchtisch.
    Broissard warf einen Blick ins Esszimmer. Rosen lagen verstreut auf dem Tischtuch herum. Zwei leere Teller, eingerahmt von heruntergebrannten Kerzen. Keinerlei Anzeichen für einen Kampf. Kein verdächtiges Geräusch übertönte die eindringliche Musik aus der Stereoanlage.
    »Alain, komm her!«, flüsterte Musil.
    Er stand an der Treppe, seine SIG 9 mm nach oben gerichtet. Die Stahlstufen waren von Blütenblättern und Blutspritzern übersät. Die Spur der gesprenkelten Tröpfchen führte zu einer Tür, unter der ein schmaler Streifen Licht durchsickerte. Der Capitaine atmete tiefer ein.
    Sie stiegen bis zum Treppenabsatz hinauf. Das klare Licht des Sternenhimmels fiel durch die Dachfenster ins Innere und erzeugte helle Zonen auf dem Teppichboden. Sie drückten sich, zu beiden Seiten der Tür, flach gegen die Wand.
    Musil wischte sich die Schweißtropfen von der Stirn. Um sich zu beruhigen, versuchte Broissard sich alles vorzustellen, was sie hinter dieser dicken Holztür erwarten konnte. Es war die gleiche Vorahnung, die er beim Betreten des Nebenraums im Videoladen von Dijon gehabt hatte. Jemand kam ihnen zuvor und beseitigte sämtliche Spuren.
    Er konnte den Geruch des Todes deutlich wahrnehmen. Allmählich war er ihm auf eine unangenehme Weise vertraut.

72
Guéret,
Haus des Rechtsmediziners,
Sondereinheit
    Die Tür sprang auf und gab den Blick frei auf ein Schlafzimmer, das in Beige und Rot getaucht war. Ein quer über dem Bett liegender nackter Mann warf sich, seine Kehle umklammernd, wild hin und her. Blut sprudelte zwischen seinen Fingern hindurch und tränkte die Kopfkissen und die Bettdecke.
    »Verdammter Mist!«
    Broissard stürzte sich auf den Rechtsmediziner und drückte seine Hände zur Seite. Die Wunde war tief, aber die Arterie unverletzt. Er riss ein Stück vom Leintuch ab und steckte es in die Wunde, um die Blutung aus den durchtrennten Venen zu stillen.
    »Hören Sie mich?« Statt einer Antwort vernahm er nur Gurgeln und Blutspucken. »Wir müssen einen Krankenwagen rufen! Ich kann die Blutung nicht stoppen!«
    Musil brüllte Befehle in sein Handy. Das Blut sprudelte weiter aus der Kehle. Der Arzt wand sich auf der Matratze vor Schmerzen. Alain wollte gerade ins Bad laufen, um die Hausapotheke zu plündern, als ihn zwei Gedanken erstarren ließen.
    Der erste: Wo war die Frau des Rechtsmediziners?
    Der zweite jagte ihm den Schrecken in alle Glieder. Der Arzt war noch am Leben, weil sie denjenigen, der ihn umbringen wollte, aufgestöbert hatten. Er packte den Kommissar am Arm.
    »Er ist noch da. Der Mörder ist noch im Haus.«
    »Was?«
    »Kümmern Sie sich um ihn. Drücken Sie auf die

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