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Die elfte Jungfrau

Titel: Die elfte Jungfrau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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entsetzliche Angst, sein Hang zu bunten Kleidern könnte im Kloster bekannt werden. Ein bisschen verrückt ist er schon.«
    Krudener sah sie ernst an.
    »Ja, Frau Sophia, wie üblich habt Ihr Recht. Ich übersah dies. Er ist eitel und geradezu krankhaft gefallsüchtig.«
    »Haltet Ihr es für ernst?«
    »Das zu beurteilen, fällt mir schwer. Aber es zeigt, dass Menschen unerwartete Seiten haben. Er könnte befremdlich reagieren, wenn ihn zum Beispiel jemand wegen seiner farbenprächtigen Kleidung aufzieht oder verächtlich macht.«
    »Er wirkte völlig aufgelöst, als ich ihn darauf ansprach...«, sinnierte Almut.
    »Sprecht mit dem Abt, Frau Almut. Wer ist der Dritte, den Ihr verdächtigt?«
    »Bertram. Obwohl es mir schwerfällt. Aber er ist bei seinen Anfällen wirklich außer sich.«
    »Ja, Bertram. Es liegt nahe, nicht wahr?«
    Almut nickte traurig und dachte an die kleine Holzkatze.
    »Er ist solch ein begnadeter Künstler. Wisst Ihr, ich frage mich - wenn er bei seinen Anfällen jemanden angreift, würgt, das Genick bricht... Warum sind es immer junge Mädchen? Er könnte doch auch Männer oder ältere Frauen anfallen.«
    »Aber, Frau Almut!« Krudener sah sie nachsichtig an. »Frau Almut, Eure Weisheit hört bei diesem Thema wohl auf. Gerade das liegt doch auf der Hand. Er ist ein junger Mann. Könnte es nicht sein, dass gerade junge Mädchen diese Anfälle bewirken? Körperliche Erregung mag sie auslösen, es ist sogar ein durchaus glaubhafter Grund, nicht wahr?«
    Almut starrte ihn an und nickte dann.
    »Heilige Maria, barmherzige Mutter, ja, natürlich.« Sie dachte an die Male, an denen sie bei den Anfällen dabei war. Es waren zumindest bei den beiden letzten junge Mädchen anwesend. »Trine bleibt wohl wirklich besser hier.«
    »Das denke ich auch.«
    »Allerdings - es könnte auch ein ganz anderer Mann sein. Oder mehrere, nicht wahr?«
    »Natürlich.«
    »Ich muss Trine noch mal nach Sanna fragen. Vielleicht hat sie sich ihr ja anvertraut.«
    Doch die Unterhaltung mit der Taubstummen brachte sie nicht sehr viel weiter. Sanna hatte ihr zwar von der geplanten Heirat mit dem Glashüttenmeister berichtet, und dass sie sich dagegen gewehrt habe, weil er so ein entsetzlich hässlicher Mann sei. Ob sie einen anderen Freund gehabt hätte? Genau wusste sie es nicht, aber sie war in den vergangenen zwei Wochen recht übermütiger Laune gewesen. Den armen Bruder Jakob habe sie heftig geneckt, einmal hatten sie den Schreinschnitzer getroffen, und auch dem hatte sie einladende Blicke zugeworfen. Aber der hatte wenig Augen dafür gehabt.
    Trines Augen hingegen blitzten ein wenig, als sie das erzählte, und Almut nickte verständnisvoll.
    »Er ist ein richtig gut aussehender Mann, der Claas. Aber wie es heißt, will er sich nicht einfangen lassen.«
    »Hübscher als der Florens. Und der hat mir schöne Augen gemacht.«
    »Ei wei, Trine.«
    »Nein, nein. Der segelt mir ja weg, wenn der Wind in seine Ohren weht.«
    Almut schaffte es nicht, ein strenges Gesicht zu machen. Es waren eben herausragende Ohren, die der junge Parler besaß. Dennoch bat sie das Mädchen, noch einmal gut darüber nachzudenken, ob ihr nicht noch etwas zu Sanna einfallen würde. Trines kurze Heiterkeit verflog, und sie nickte traurig. Sie hatten sich in den vergangenen Wochen angefreundet, und das Schicksal der jungen Parlerstochter ging ihr sichtlich nahe.
    Kurz darauf rüsteten sich Bela und Almut zum Aufbruch. Auf dem Neuen Markt war es jetzt ruhiger geworden, die Feiernden waren weitergezogen, nachdem wirklich ein Trupp der Stadtwachen für Ordnung gesorgt hatte.
    Dennoch sollten die Aufregungen des Tages noch nicht zu Ende sein. Sie waren erst wenige Schritte in Richtung Schildergasse gegangen, als ihnen eine Sänfte auffiel, von zwei Burschen getragen, die bedenklich schwankte.
    Als sie beinahe auf gleicher Höhe waren, fiel der Insasse mit einem dumpfen Aufschlag auf den Boden. Die beiden Träger starrten ihn erschrocken an und gaben Fersengeld.
    »Tölpel!«, fauchte Almut und ging zu dem Mann, der inmitten seines prächtigen pelzverbrämten Samttalars auf dem Pflaster lag.
    »Kann ich Euch helfen, Herr?«, fragte sie, als sie sich niederbeugte. Doch sie bekam keine Antwort.
    »Er wird bezecht sein, Almut.«
    »Kann sein, trotzdem können wir ihn hier nicht so liegen lassen. Ei wei, es scheint in der letzten Zeit immer wieder meine Aufgabe zu sein, die Gefallenen aufzurichten. Hilf mir, Bela. Er ist wohl ein vornehmer Herr, und es sieht

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