Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die elfte Jungfrau

Titel: Die elfte Jungfrau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
Vom Netzwerk:
Scherenstuhl, dessen Lehne mit schimmerndem Perlmutt und Elfenbein eingelegt war, erhob sich der alte Mann, stütze sich zwar noch auf seinen Stock, sah aber gesund und vor allem erfreut aus.
    »Frau Almut, willkommen in meinem Heim. Kommt näher und setzt Euch zu mir. Ich freue mich, dass Ihr meine Einladung angenommen habt. Ich erwarte auch jenen trefflichen Apotheker und seine begabte Gehilfin in Kürze.«
    »Ihr habt Euch gut erholt, edler Herr. Es freut mich, Euch bei so guter Stimmung zu sehen.«zu
    Almut setzte sich ihm gegenüber auf ein weiches Polster und nickte zustimmend dem lautlosen Diener zu, der ihr einen gläsernen Pokal mit honigfarbenem Wein anbot.
    Jetzt, da Gauwin vom Spiegel genesen war und in seiner gut geschnittenen schwarzen Robe vor ihr saß, fiel ihr die Ähnlichkeit zu seinem Sohn noch einmal mehr auf, und sie fühlte sich verwirrt und schüchtern. Doch ihr Gegenüber war ein Mann von Welt und plauderte entspannt, ohne auf ihre Schweigsamkeit einzugehen.
    »Meister Krudener hat mir ein wenig von Euch verraten, Frau Almut. Ich gestehe, um die Beginen habe ich mir bislang noch wenig Gedanken gemacht. Ich hielt sie für eine Art fromme Schwestern, ähnlich unseren löblichen Stifts- und Ordensfrauen, aber wie es scheint, seid Ihr bei weitem weltlicher gesonnen und steht mit beiden Füßen im Leben. Frau Magda von Stave, Eure Meisterin, habe ich vor langen Jahren gekannt. Doch da war sie noch ein Mädchen und ich bereits ein reifer Mann.«
    »Sie wird im Herbst zweiundsechzig Jahre alt, aber sie ist voller Energie und leitet unseren Konvent mit großem Erfolg.«
    »Sie war ein willensstarkes Kind, damals.« Gauwin vom Spiegel lächelte Almut an. »Ich bin zwanzig Jahre älter als sie. Falls Ihr das wissen wolltet.«
    Almut biss sich auf die Lippe. Genau das hatte sie wissen wollen, und es berührte sie unangenehm, so leicht durchschaubar zu sein. Er überging auch das und fragte: »Wie kommt es, dass Ihr die graue Tracht gewählt habt, Frau Almut? Ihr seid noch eine junge Frau, und wenn ich Georg Krudener richtig verstanden habe, auch ein äußerst gebildetes und tatkräftiges Weib.«
    Jetzt schlich sich in Almuts Augen ein feines Lächeln, als sie antwortete: »Ich werde in Kürze achtundzwanzig, falls Ihr das wissen wolltet, edler Herr.«
    Er lachte auf und hob sein Glas zu einem anerkennenden Salut. Sie tat es ihm gleich und nippte an dem fruchtigen, kühlen Getränk.
    »Ich wählte das Beginenleben, Herr, um mich der Munt der Männer zu entziehen.«
    »Unser Geschlecht hat Euch enttäuscht, muss ich daher annehmen.«
    »Der eine oder der andere darunter.«
    Gauwin vom Spiegel nickte voller Verständnis.
    »Nun, es soll solche geben, die einen unabhängigen Geist nicht zu schätzen wissen. Andere hingegen haben durchaus den Mut, es mit einer stolzen Frau aufzunehmen.«
    »Es gibt sie, aber …«
    »Nun, ich will nicht in Euch dringen. Ihr werdet Gründe haben, dieses Leben zu führen, und wie es scheint, leistet Ihr gute Arbeit. Ich hoffe, Euer Konvent wird meine gebührende Dankbarkeit für meine Rettung am letzten Montag entgegennehmen. Woran mangelt es Euch?«
    »An nichts, Herr. Ich sagte doch, unsere Meisterin sorgt auf das Beste für uns.«
    »Verzeiht, ich habe es vollkommen falsch angefangen. Frau Almut - wünscht Ihr Euch etwas, das über den täglichen Bedarf hinausgeht? Ich weiß, Ihr schwelgt nicht in persönlichem Luxus. Aber vielleicht findet die Gemeinschaft Erbauung an bestimmten Dingen.«
    Almut dachte an die Kapelle und die Spitzbogenfenster. Magda hatte nicht gerne zugestimmt, denn die Steinmetzarbeiten würden extra Kosten verursachen. An eine bunte Verglasung war überhaupt nicht zu denken. Ihr sehnsüchtiger Blick aber huschte zu den hohen Fenstern in dem Raum, die wie Edelsteine im Sonnenlicht leuchteten und farbige Lichter aufflammen ließen.
    »Es gibt etwas, Frau Almut, nicht wahr? Euer Gesicht ist leicht zu lesen. Verratet es mir. Ich habe Euch mein Leben zu verdanken, auch wenn es wahrscheinlich keine lange Frist mehr ist, die ich mich noch daran erfreuen kann.«
    »Ich … Na ja, ich baue uns eine kleine Kapelle …«
    »Natürlich. Eine Kunst, die selbstverständlich eine jegliche Begine beherrscht...«
    »Na ja, nicht jede einzelne«, gluckste Almut. »Aber mein Vater hat mich schon früh immer mit auf die Baustellen genommen, und mein erster Mann, ebenfalls ein Baumeister, hat mir viele Verwaltungsarbeiten überlassen.«
    »Ich verstehe. Diese Kapelle soll

Weitere Kostenlose Bücher