Die Elite
Ernst, Mer, du bist das einzige Mädchen, das ich je gewollt habe. Ich könnte mir nicht vorstellen, mit einer anderen zusammen zu sein. Ich habe es versucht, aber es geht einfach nicht.«
Einen Augenblick lang saßen wir einfach nur da und hielten einander fest. Jede noch so kleine Berührung seiner Finger und die Wärme seines Atems in meinem Haar waren wie Balsam für meine Seele.
»Wir sollten bald gehen«, sagte er. »Ich bin mir zwar ziemlich sicher, dass man uns hier nicht findet, aber wir müssen es ja nicht heraufbeschwören.«
Ich seufzte. Es kam mir vor, als wären wir gerade erst hierhergekommen, aber er hatte vermutlich recht. Ich machte Anstalten aufzustehen, und Aspen sprang auf, um mir zu helfen. Dann umarmte er mich ein letztes Mal.
»Wahrscheinlich ist es schwer für dich zu glauben, aber es tut mir wirklich leid, dass sich Maxon als so übler Kerl erwiesen hat. Ich wollte nicht, dass man dir wehtut. Und vor allen Dingen nicht auf diese Weise.«
»Danke, Aspen.«
»Es ist mir ernst, America.«
»Das weiß ich.« Aspen hatte seine Fehler, aber er war ganz bestimmt kein Lügner. »Es ist aber noch nicht vorbei. Nicht, solange ich hier bin.«
»Ja, aber ich kenne dich doch. Du wirst das Ganze auszusitzen versuchen, damit deine Familie Geld bekommt und du mich sehen kannst. Wenn Maxon die Sache wiedergutmachen wollte, müsste er schon die Zeit zurückdrehen können.«
Ich stieß einen Seufzer aus. Es schien, als könnte Aspen recht haben. Maxons Einfluss auf mich schwand zusehends, und er fiel von mir ab wie eine Hülle.
»Mach dir keine Sorgen, Mer. Ich werde mich um dich kümmern.«
Aspen hatte in diesem Augenblick keine Möglichkeit, das zu beweisen, dennoch glaubte ich ihm. Er tat alles für die Menschen, die er liebte, und ich wusste, dass ich die Person war, die ihm zweifellos am meisten bedeutete.
Am nächsten Morgen kehrten meine Gedanken beim Ankleiden, beim Frühstück und in den Stunden, die ich im Damensalon verbrachte, immer wieder zu Aspen zurück. Ich befand mich in einem Zustand seliger Losgelöstheit – bis ein Stapel Magazine klatschend auf dem Tisch vor mir landete und mich in die Realität zurückkatapultierte.
Ich sah hoch und erblickte Celeste, deren Lippe immer noch ordentlich geschwollen war. Sie zeigte auf eine ihrer Klatschzeitschriften, die aufgeschlagen dalag. Ich brauchte noch nicht mal eine Sekunde, um Marlees schmerzverzerrtes Gesicht auf der Doppelseite zu erkennen.
»Ich dachte, das solltest du sehen«, sagte Celeste und stolzierte davon.
Ich war mir nicht ganz sicher, was sie damit bezweckte, aber ich war so begierig, mehr über Marlees Schicksal zu erfahren, dass ich den Artikel sofort verschlang.
Von allen großen Traditionen unseres Landes löst wohl kaum eine solche Begeisterung aus wie das Casting. Einst geschaffen, ein tieftrauriges Volk aufzuheitern, scheint es noch immer euphorisierend zu sein, mitzuerleben, wie zwischen einem Prinzen und seiner zukünftigen Prinzessin eine große Liebesgeschichte entsteht. Als Gregory Illeá vor mehr als achtzig Jahren den Thron bestieg und sein ältester Sohn Spencer plötzlich starb, betrauerte das ganze Land den Verlust dieses geheimnisvollen und vielversprechenden jungen Mannes. Und nachdem dann sein jüngerer Bruder Damon als Thronfolger eingesetzt wurde, fragten sich viele, ob er mit gerade mal achtzehn Jahren schon in der Lage wäre, sich auf dieses schwierige Amt vorzubereiten. Doch Damon war reif genug für den Schritt ins Erwachsenenleben und bewies dies durch die wichtigste Verbindung, die es im Leben gibt – die Ehe. Innerhalb weniger Monate wurde das Casting ins Leben gerufen, und die Aussicht, dass ein ganz normales Mädchen aus dem Volk Prinzessin von Illeá werden konnte, hob die Moral der gesamten Nation.
Doch in letzter Zeit können wir nicht umhin, den Sinn dieses Wettbewerbs anzuzweifeln. Zwar liegt dem Ganzen eine romantische Idee zugrunde, dennoch mehren sich die Stimmen, dass es falsch sei, die Prinzen zu verpflichten, Frauen aus niedrigeren Kasten zu heiraten. Zwar kann niemand das tadellose Auftreten und die Schönheit unserer gegenwärtigen Königin, Amberly Station Schreave, leugnen. Dennoch erinnern sich einige von uns bestimmt noch an die Gerüchte um Abby Tamblin Illeá, die ihren Ehemann, Prinz Justin Illeá, angeblich nach wenigen Ehejahren vergiftet hat. Sie willigte später ein, seinen Cousin Porter Schreave zu heiraten und so die königliche Linie fortzuführen.
Auch
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