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Die Elite

Die Elite

Titel: Die Elite Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kiera Cass
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einzigen klaren Gedanken mehr im Kopf und bekam nichts auf die Reihe.
    »Du weißt, wer du bist, Mer. Lass nicht zu, dass sie dich verbiegen.« Seine Stimme war ernst und für einen Moment fühlte ich mich sicher. Nicht weil ich irgendwelche Antworten parat gehabt hätte, sondern weil ich Aspen hatte. Wenn ich jemals aus den Augen verlor, wer ich wirklich war, würde er mich auf den richtigen Weg zurückführen.
    »Aspen, kann ich dich etwas fragen?«
    Er nickte.
    »Das klingt jetzt vielleicht komisch, aber wenn Prinzessin sein nicht bedeuten würde, dass ich jemanden heiraten müsste, wenn es einfach nur ein Beruf wäre, glaubst du, dass ich das Zeug dazu hätte?«
    Als ihm die Tragweite der Frage klar wurde, riss er für einen kurzen Augenblick seine grünen Augen auf. Immerhin erwog er die Möglichkeit ernsthaft.
    »Tut mir leid, Mer, ich glaube nicht. Du bist nicht so berechnend, wie sie es sind und wie du es dann auch sein müsstest.« Er blickte mich schuldbewusst an, aber ich war nicht beleidigt. Dennoch überraschte mich seine Begründung ein wenig.
    »Berechnend? Wieso?«
    »Als Soldat komme ich im Palast viel rum, Mer, und dabei kommt mir so einiges zu Ohren. Unten im Süden gibt es in den Gebieten, in denen sehr viele Menschen niedrigen Kasten angehören, viele Unruhen. Von den älteren Wachen habe ich erfahren, dass diese Leute nie mit Gregory Illeás Methoden einverstanden waren und dass dort schon lange Unzufriedenheit herrscht. Gerüchte besagen, dies sei der Grund, weshalb die Königin für den König einst so attraktiv gewesen ist. Sie stammt aus dem Süden, und ihre Wahl zur Königin hat die Leute dort eine Weile besänftigt. Doch das scheint seine Wirkung verloren zu haben.«
    Wieder hätte ich das Tagebuch gern erwähnt, hielt mich jedoch zurück. »Das erklärt aber nicht, was du mit berechnend meinst.«
    Er zögerte. »Ich wurde neulich in eins der Dienstzimmer gerufen, noch vor dem ganzen Halloween-Kram. Sie erwähnten die Sympathisanten der Rebellen im Süden. Mir wurde daraufhin aufgetragen, Briefe in den Postflügel zu bringen. Es waren über dreihundert Briefe, America. Dreihundert Familien, die eine Kaste heruntergestuft wurden, weil sie gewisse Dinge nicht berichtet oder jemandem geholfen hatten, den der Palast als Bedrohung ansah.«
    Ich schnappte nach Luft.
    »Ich weiß. Kannst du dir das vorstellen? Was, wenn es dich getroffen hätte, du aber außer Klavierspielen nichts anderes gelernt hast? Plötzlich sollst du wissen, wie man Büroarbeiten erledigt, wie man überhaupt einen solchen Job ergattert. Das ist eine ziemlich klare Botschaft.«
    Ich nickte. »Weiß Maxon das?«
    »Bestimmt. Er wird doch schon bald selbst das Land regieren.«
    Tief in meinem Herzen wollte ich nicht glauben, dass Maxon
so
einer Entscheidung zugestimmt haben sollte. Aber es war sehr wahrscheinlich, dass er davon wusste. Und man erwartete schließlich absolute Loyalität von ihm.
    Wäre ich zu so etwas in der Lage gewesen?
    »Aber sag es bitte niemandem, ja? So etwas könnte mich glatt den Job kosten«, warnte mich Aspen.
    »Natürlich nicht. Ich habe es schon vergessen.«
    Aspen lächelte mich an. »Ich vermisse es, mit dir zusammen zu sein, America, weit weg von all dem hier. Und ich vermisse unsere alten Probleme.«
    Ich lachte. »Ja, ich weiß, was du meinst. Heimlich aus dem Fenster zu klettern war viel besser, als heimlich in einem Palast herumzuschleichen.«
    »Und einen Penny für dich zu sparen, war immer noch besser, als dir gar nichts schenken zu können.« Er tippte auf das Glas neben meinem Bett, in dem die vielen hundert Pennys gewesen waren, die er mir dafür gegeben hatte, dass ich im Baumhaus für ihn sang. Er fand, ich verdiente diese Bezahlung. »Bis zu deiner Abreise damals hatte ich keine Ahnung, dass du sie aufbewahrt hattest.«
    »Natürlich habe ich das! Nachdem du Schluss gemacht hast, waren sie alles, woran ich mich klammern konnte. Manchmal habe ich sie auf dem Bett über meiner Hand ausgeschüttet – nur damit ich sie danach wieder einsammeln konnte. Ich war froh, etwas zu besitzen, was du berührt hattest.« Unsere Blicke trafen sich und alles andere rückte in weite Ferne. Die Erinnerung an unseren geheimen Zufluchtsort, den wir uns Jahre zuvor geschaffen hatten, war für uns beide tröstlich. »Was hast du mit ihnen gemacht?« Bei meiner Abreise von Carolina war ich so wütend auf ihn gewesen, dass ich sie Aspen zurückgegeben hatte. Bis auf den einen, der jetzt auf dem Boden

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