Die Elite
ich mir eine Scheibe abschneiden können.
Im selben Moment fuhr der König seinen Berater an, und mein Kopf flog in seine Richtung. Ich hörte nicht genau, was er sagte, aber er klang verärgert. Hinter ihm erkannte ich Aspen, der seine Runden drehte.
Er schaute kurz zu mir herüber und riskierte ein leichtes Zwinkern. Ich wusste, dass er mich damit ein bisschen aufmuntern wollte, und es gelang ihm tatsächlich. Gleichwohl fragte ich mich besorgt, was er letzte Nacht hatte durchmachen müssen, denn er hinkte leicht und trug einen Verband neben dem Auge.
Während ich noch überlegte, wie ich ihn unauffällig bitten konnte, mich heute Nacht zu besuchen, ertönte ein Ruf aus dem Inneren des Palastes.
»Rebellen!«, brüllte eine Wache. »Weg hier! Rebellen im Palast! Sie kommen!«
Sofort schoss mir die Drohung an den Wänden wieder durch den Kopf. WIR KOMMEN .
Dann ging alles sehr schnell. Die Zofen führten die Königin eilig zur Seite des Gebäudes. Einige zogen sie an den Händen, damit sie schneller lief, andere rannten pflichtbewusst hinter ihr her, um sie abzuschirmen.
Celestes rotes Kleid flatterte im Wind, als sie der Königin folgte. Vermutlich nahm sie an, dass das der sicherste Weg war. Maxon hob Kriss mit ihrem verletzten Fuß hoch, wirbelte herum und übergab sie dem nächstbesten Wachmann. Zufälligerweise war es Aspen.
»Weg hier!«, schrie er Aspen zu. »Los, weg!«
Mit übertriebener Loyalität stürzte Aspen los und trug Kriss davon, als wöge sie rein gar nichts.
»Maxon, nein!«, rief sie über seine Schulter hinweg.
Durch die offenen Palasttüren ertönte ein lauter Knall, und ich schrie auf. Als mehrere Wachen in ihre Uniformen griffen und Pistolen herauszogen, verstand ich, was das Geräusch zu bedeuten hatte. Es knallte noch zweimal, und ich merkte, wie ich erstarrte und reglos zusah, wie alle in Panik losrannten. Die Wachen lenkten die Leute zu den Schmalseiten des Palastes und drängten sie, aus der Schusslinie zu gehen. Ein kleiner Trupp Rebellen in robusten Hosen und derben Jacken und mit bis zum Rand gefüllten Rucksäcken stürzte fast zeitgleich nach draußen. Ein weiterer Schuss ertönte.
Endlich begriff auch ich, dass ich hier wegmusste. Ohne nachzudenken, drehte ich mich um und lief los.
Da die Rebellen aus dem Palast herausströmten, wandte ich mich automatisch in Richtung Wald. Die finster wirkende Meute folgte mir. Ich lief so schnell ich konnte, wobei ich ein paarmal in meinen flachen Schuhen ausrutschte. Für eine Sekunde überlegte ich, sie auszuziehen, doch dann beschloss ich, dass rutschige Schuhe immer noch besser waren als gar keine Schuhe.
»America!«, rief Maxon. »Nicht! Komm zurück!«
Ich riskierte einen Blick über die Schulter und sah, wie der König Maxon am Kragen seines Jacketts packte und ihn wegzerrte. Maxon starrte mir hinterher, und die Angst in seinen Augen war unübersehbar. Ein weiterer Schuss wurde abgefeuert.
»Feuer einstellen!«, brüllte Maxon. »Ihr werdet sie umbringen! Aufhören!«
Erneut fielen Schüsse und Maxon brüllte immer noch seine Befehle, doch ich war mittlerweile zu weit entfernt, um sie hören zu können. Ich rannte immer weiter und stellte plötzlich fest, dass ich ganz allein war. Maxon wurde von seinem Vater in Schach gehalten und Aspen tat seine Pflicht. Wenn mir jetzt ein Wachmann zu Hilfe eilen wollte, musste er hinter den Rebellen herlaufen. Mir blieb also nichts anderes übrig, als um mein Leben zu rennen.
Die Angst verlieh mir Flügel, und sobald ich den Wald erreicht hatte, war ich überrascht, wie gut ich durch das Unterholz vorankam. Der Boden war trocken und hart, ausgedorrt von den vielen Monaten ohne Regen. Flüchtig war mir bewusst, dass ich mir die Beine zerkratzte, aber ich drosselte mein Tempo nicht.
Ich schwitzte, und mein Kleid klebte mir am Körper, während ich immer weiterlief. Im Wald war es zwar kühler, und es wurde immer dunkler, trotzdem war mir heiß. Zu Hause war ich manchmal mit Gerad um die Wette gerannt. Doch seit Monaten saß ich nur im Palast herum und hatte mich am leckeren Essen gütlich getan. Das spürte ich jetzt. Meine Lunge brannte und meine Beine drohten nachzugeben. Doch ich lief weiter.
Nachdem ich weit genug in den Wald vorgedrungen war, blickte ich mich um, um festzustellen, wie nah die Rebellen schon waren. Mir rauschte das Blut in den Ohren, so dass ich nichts hören konnte. Ich sah auch niemanden. Deshalb beschloss ich, dass dies hier die beste Gelegenheit war, mich zu
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