Die Elite
Sonst waren die schlimmsten Verwüstungen bereits immer beseitigt gewesen, wenn wir den Schutzraum verlassen durften. Dieses Mal sah es jedoch so aus, als hätten die Bediensteten nicht alles rechtzeitig bewältigen können. Ich beobachtete eine Gruppe von Dienern, die sich abmühten, riesige Buchstaben von einer Wand zu schrubben.
WIR KOMMEN .
Die Drohung wiederholte sich zigfach auf der gesamten Länge des Flures. Manchmal war sie mit Schlamm geschrieben, manchmal mit Farbe und manchmal sogar mit Blut. Blut der Toten? Ich schauderte und wich unwillkürlich einen Schritt zurück.
Während ich noch geschockt dastand, liefen meine Zofen auf mich zu. »Miss, geht es Ihnen gut?«, fragte Anne.
»Ja. Alles in Ordnung.«
»Kommen Sie da weg, Miss. Wir kleiden Sie an«, sagte Mary in strengen Ton.
Gehorsam folgte ich ihnen, immer noch erschrocken über das, was ich da sah, und zu verwirrt, um etwas anderes tun zu können. Die drei gingen sehr bedächtig zu Werke, so, wie sie es meistens taten, wenn sie mich durch die Routine des Ankleidens zu besänftigen versuchten. Als ich fertig war, kam eine Dienerin, um mich in den Garten zu geleiten, wo wir an diesem Morgen anscheinend arbeiten sollten.
Die Verwüstungen und die furchteinflößenden Graffiti ließen sich in der Sonne von Angeles leicht vergessen. Maxon und der König standen mit ihren Beratern an einem Tisch, prüften einen Stapel Schriftstücke und trafen Entscheidungen. Unter einem Pavillon beschäftigte sich die Königin ebenfalls mit irgendwelchen Dokumenten, wobei sie die Dienerin neben sich auf bestimmte Details hinwies. Daneben saßen Elise, Celeste und Natalie an einem Tisch und besprachen die Durchführung ihres Empfangs. Sie waren so vertieft, dass es den Anschein hatte, als hätten sie die Nacht im Schutzraum vollkommen vergessen.
Kriss und ich setzten uns unter einen ähnlichen Pavillon ihnen gegenüber, doch wir kamen mit unseren Vorbereitungen nur langsam voran. Es fiel mir schwer, mit ihr zu reden, weil ich das Bild von ihr und Maxon einfach nicht aus dem Kopf bekam. Ich sah zu, wie sie einzelne Passagen in den Unterlagen unterstrich und sich am Rand Notizen machte.
»Ich glaube, ich habe einen Weg gefunden, wie wir das mit den Blumen hinbekommen«, bemerkte sie, ohne aufzuschauen.
»Oh, prima.«
Mein Blick wanderte gedankenverloren hinüber zu Maxon. Jeder, der genau hinsah, konnte mitverfolgen, wie der König vorgab, Maxons Einwürfe nicht zu hören. Das verstand ich nicht. Wenn sich der König Sorgen machte, ob Maxon das Land gut regieren würde, musste er ihn doch umso intensiver anleiten, statt ihn von allem fernzuhalten, nur weil er befürchtete, dass sein Sohn einen Fehler machen könnte.
Maxon schob ein paar Papiere zusammen und sah hoch. Unsere Blicke trafen sich, und er winkte. Ich wollte gerade die Hand heben, als ich aus dem Augenwinkel bemerkte, wie Kriss ihm begeistert zurückwinkte. Schnell blickte ich wieder auf die Unterlagen und versuchte nicht rot zu werden.
»Sieht er nicht phantastisch aus?«, fragte Kriss. »Ich stelle mir andauernd vor, wie Kinder mit seinen Haaren und meinen Augen aussehen würden.«
»Wie geht es deinem Knöchel?«
»Ach«, sagte sie und seufzte. »Es tut ein bisschen weh, aber Dr. Ashlar meint, bis zum Empfang ist alles wieder in Ordnung.«
»Gut. Es wäre auch zu blöd, wenn du bei der Ankunft der Italienerinnen noch herumhumpeln würdest.« Ich versuchte freundlich zu klingen, aber ich merkte, dass sich Kriss über meinen spitzen Ton wunderte.
Sie öffnete den Mund und wollte etwas sagen, doch dann blickte sie schnell woanders hin. Ich folgte ihrem Blick und stellte fest, dass Maxon gerade zu dem Tisch mit Erfrischungen ging, den die Diener aufgebaut hatten.
»Ich bin gleich zurück«, sagte sie und humpelte schneller zu Maxon hinüber, als ich es für möglich gehalten hätte.
Ich musste einfach hinsehen. Celeste ging ebenfalls zu dem provisorischen Büfett, und während sich die drei Wasser einschenkten oder nach einem Sandwich griffen, unterhielten sie sich leise. Celeste sagt etwas und Maxon lachte. Es hatte den Anschein, als würde Kriss lächeln, doch meiner Einschätzung nach fühlte sie sich eindeutig zu sehr von Celeste gestört, als dass sie sich aufrichtig amüsierte.
In diesem Augenblick war ich Celeste fast dankbar. Mich regten bestimmt hundert Sachen an ihr auf, aber eins musste man ihr lassen. Sie ließ sich einfach nicht einschüchtern. Von dieser Hartnäckigkeit hätte
Weitere Kostenlose Bücher