Die Elite
Tisch.
»Für … für mich?«, fragte Silvia überrascht.
»Aber natürlich«, sagte Kriss liebenswürdig und reichte ihr den Schmuck.
»Sie haben uns beiden so viel geholfen. Das ist schließlich auch Ihr Werk«, fügte ich hinzu.
Ich sah, wie sehr unsere Geste die Königin freute, doch Silvia war für einen Moment vollkommen sprachlos. Plötzlich fragte ich mich, ob ihr im Palast überhaupt irgendjemand Aufmerksamkeit schenkte. Zwar hatten wir uns das gestern hauptsächlich ausgedacht, um Silvia für uns einzunehmen, doch jetzt war ich noch aus anderen Gründen froh, dass wir es getan hatten.
Vielleicht war Silvias Verhalten oft erdrückend, doch es war ja nur zu unserem Besten, dass sie uns diese ganzen Regeln einbläute. Ich gelobte jedenfalls, ihr in Zukunft dankbarer zu sein.
Ein Diener teilte uns mit, dass die Gäste im Anmarsch waren, und Kriss und ich stellten uns zu beiden Seiten der Flügeltür auf, um sie willkommen zu heißen. Die Band spielte im Hintergrund leise Musik, und die Diener kamen mit kleinen Häppchen herein.
Elise, Celeste und Natalie betraten als Nächste den Raum, zu unserer Überraschung waren sie pünktlich. Als sie sahen, wie wir den Salon ausstaffiert hatten – der wogende Stoff, der die eintönigen Wände verhüllte, die funkelnde Tischdekoration, der üppige Blumenschmuck –, stand Elise und Celeste das Entsetzen deutlich ins Gesicht geschrieben. Natalie jedoch war viel zu begeistert, um sich solche Gedanken zu machen.
»Es duftet wie in einem Garten«, sagte sie begeistert und kam mit tänzelnden Schritten näher. »Herrlich!«
»Für meinen Geschmack ein bisschen zu sehr«, fügte Celeste spitz hinzu. »Die Leute werden Kopfschmerzen bekommen.« Man konnte wirklich darauf wetten, dass sie immer ein Haar in der Suppe fand.
»Bitte, verteilt euch auf die verschiedenen Tische«, sagte Kriss, als die drei an uns vorbeimarschierten.
Celeste sog zischend die Luft ein und tat so, als wäre Kriss’ Bitte eine absolute Zumutung. Ich hätte ihr gern gesagt, sie solle sich zusammenreißen. Wir hatten uns bei ihrem Empfang schließlich auch tadellos benommen. Doch dann hörte ich schon das fröhliche Geplapper der Italienerinnen, die den Flur entlangkamen, und vergaß Celeste darüber.
Die Damen aus Italien erwiesen sich als klassische Schönheiten. Sie waren groß, ihre Haut schimmerte in einem warmen Goldton, und alle waren ausgesprochen hübsch. Und als ob das nicht genug gewesen wäre, waren sie alle auch noch überaus freundlich. Es war, als trügen sie die Sonne in ihrem Herzen, die alles um sie herum erstrahlen ließ.
Die Monarchie in Italien war noch jünger als die in Illeá. Laut Unterlagen hatten die Italiener viele Jahrzehnte lang unsere Annäherungsversuche abgewehrt, und das hier war das erste Mal, dass wir uns die Hände reichten. Dieses Treffen war der allererste Schritt hin zu einer engeren Beziehung zu einer aufstrebenden Nation. Der Gedanke daran schüchterte mich ein wenig ein – bis zu dem Moment, als die Damen durch die Tür traten und ihre spontane Herzlichkeit alle Befürchtungen dahinschmelzen ließ. Überschwänglich küssten sie Kriss und mich auf beide Wangen und riefen:
»Salve!«
Erleichtert versuchte ich, ebenso enthusiastisch zu reagieren. Dabei patzte ich bei ein paar der italienischen Begrüßungsfloskeln, doch unsere liebenswürdigen Besucherinnen gingen einfach darüber hinweg und halfen mir, mich zu korrigieren. Ihr Englisch war beeindruckend, und wir bewunderten gegenseitig unsere Frisuren und Kleider. Es schien, als hätte unser optischer Auftritt einen guten ersten Eindruck gemacht, und das sorgte dafür, dass ich mich allmählich ein wenig entspannte.
Fast die ganze Zeit über saß ich neben Orabella und Noemi, zwei Cousinen der italienischen Prinzessin.
»Der ist wirklich köstlich!«, rief Orabella begeistert und hob ihr Weinglas.
»Wie schön, dass er Ihnen schmeckt«, erwiderte ich, wobei ich mich beunruhigt fragte, ob ich im Vergleich zu ihnen schüchtern und steif wirkte. Die beiden sprühten nämlich nur so vor Temperament.
»Sie müssen ihn unbedingt auch probieren!«, forderte Orabella mich auf. Ich hatte zwar seit der Halloween-Party keinen Alkohol mehr getrunken, und ich machte mir auch nicht besonders viel daraus. Aber ich wollte nicht unhöflich sein, also nahm ich das Glas Wein, das sie mir reichte, und nippte daran.
Sie hatte recht. Er war phantastisch. Champagner bestand im Prinzip nur aus kleinen Bläschen,
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