Die Elite
die Favoritin bist?«
»Nein«, sagte Kriss energisch. »Keineswegs. Andererseits sehe ich doch, wie viel du ihm noch immer bedeutest. Ich glaube einfach, dass du und ich im Moment fast gleichauf sind. Ich mag dich, America, und ich fände es schlimm, wenn das Ganze – wie auch immer es letztlich ausgeht – irgendwie hässlich endet.«
Sie knetete ihre Hände und versuchte, die richtigen Worte zu finden. »Ich biete dir absolute Ehrlichkeit an, was mein Verhältnis zu Maxon angeht, und hoffe, du hältst es umgekehrt genauso.«
Ich verschränkte die Arme und stellte schließlich die Frage, die mir auf der Seele brannte. »Wie seid ihr zwei euch eigentlich so nah gekommen?«
Kriss’ Gesicht bekam einen verträumten Ausdruck. »Gleich nach der Sache mit Marlee. Es klingt vielleicht seltsam, aber ich habe ihm eine Karte gebastelt. Das habe ich zu Hause auch immer gemacht, wenn meine Freunde Kummer hatten. Er war jedenfalls begeistert und meinte, ihm hätte noch nie jemand etwas geschenkt.«
Was? Ach!
Nach allem, was er für mich getan hatte, hatte ich wirklich umgekehrt noch nie etwas für ihn getan.
»Er hat sich so gefreut und mich gebeten, ein wenig mit ihm in seinem Zimmer zu sitzen und …«
»Du warst in seinem Zimmer?«, fragte ich geschockt.
»Ja, du nicht?«
Mein Schweigen war Antwort genug.
»Oh«, hauchte sie peinlich berührt. »Na ja, da hast du nichts verpasst. Es ist ziemlich dunkel, es gibt einen Gewehrständer, und dann hängen da noch jede Menge Bilder an der Wand. Es ist wirklich nichts Besonderes«, versicherte sie und wedelte beschwichtigend mit der Hand. »Wie auch immer, danach hat er mich in jeder freien Minute besucht. Es hat sich alles ziemlich schnell entwickelt.«
Ich seufzte. »Im Grunde hat er es mir schon erzählt«, gestand ich. »Er hat so eine Andeutung gemacht, dass er uns beide hier bräuchte.«
»Tja …« Kriss biss sich nervös auf die Lippe. »Das ist das Problem. Ich weiß nicht, ob es ihm ernst ist und bin mir ziemlich sicher, dass er dich noch immer mag.«
Das hatte sie doch ohnehin schon vermutet. Oder wollte sie es einfach noch mal von mir selbst hören?
»Kriss, möchtest du das wirklich so genau wissen?«
»Ja! Ich muss einfach wissen, woran ich bin. Und ich werde dir im Gegenzug auch alles sagen, was du wissen willst. Wir haben zwar keinen Einfluss auf den Ausgang des Castings, aber das heißt noch lange nicht, dass wir jegliche Kontrolle aus der Hand geben müssen.«
Ich lief nachdenklich im Kreis herum, um einige Dinge für mich klarzukriegen. Ich wusste nicht, ob ich den Mut aufbringen würde, Maxon nach Kriss zu fragen. Ich schaffte es ja kaum, offen mit ihm über mich zu sprechen. Und dadurch hatte ich ständig das Gefühl, nicht genau zu wissen, wo ich eigentlich stand. Vielleicht war das meine einzige Chance, mehr zu erfahren.
»Ich bin mir ziemlich sicher, dass er mich noch eine Zeitlang hier haben will. Aber du sollst ebenfalls dableiben.«
Sie nickte. »Das dachte ich mir.«
»Hat er dich geküsst?«, stieß ich hervor.
Kriss lächelte schüchtern. »Nein, aber ich glaube, er hätte gern, wenn ich ihn nicht gebeten hätte, damit zu warten. In meiner Familie gibt es die Tradition, sich erst dann zu küssen, wenn man verlobt ist. Es gibt sogar ein Fest, bei dem das Paar sein Hochzeitsdatum verkündet, und alle kommen, um den ersten Kuss zu sehen. Das wünsche ich mir auch für mich.«
»Aber hat er es versucht?«
»Nein, ich habe es ihm rechtzeitig erklärt. Doch er küsst sehr oft meine Hände, manchmal auch meine Wangen. Irgendwie süß«, sprudelte es aus ihr heraus.
Ich blickte betreten auf den Rasen.
»Moment mal«, sagte sie zögernd. »Hat er dich denn geküsst?«
Ein Teil von mir hätte gern damit geprahlt, dass ich die Erste war, die er überhaupt geküsst hatte. Dass es mir bei dem Kuss so vorgekommen war, als wäre die Zeit stehengeblieben.
»Etwas in der Art. Es ist schwer, das zu erklären«, wich ich aus.
Sie verzog das Gesicht. »Nein, ist es nicht. Hat er oder hat er nicht?«
»Wie gesagt, es ist kompliziert.«
»America, wenn du nicht ehrlich bist, ist das hier reine Zeitverschwendung. Ich bin mit der Absicht hergekommen, ganz offen mit dir zu reden. Ich dachte, es würde uns beiden nützen, wenn wir uns freundschaftlich begegnen.«
Ich stand da, rang die Hände und überlegte, wie ich mein Verhalten erklären sollte. Schließlich mochte ich Kriss. Falls ich nach Hause geschickt würde, wollte ich, dass sie
Weitere Kostenlose Bücher