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Die Elvenbrücke

Die Elvenbrücke

Titel: Die Elvenbrücke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hugh Walker
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Schrei von Pein, sondern einer vollkommener Enthemmung, der den Schamanen halb wieder in die Wirklichkeit zurückbrachte.
    Ohne innere Sammlung war der Schamane unfähig, den alten Geboten seiner Lehrer zu folgen, und der Riese ließ ihm keine Gelegenheit dazu.
    »Aaaaaahhhhhhhh…!« röchelte der Riese. Er taumelte und bückte sich – nicht, um Halt zu finden, sondern um den Schamanen zu fassen und hochzureißen.
    »Welche Gewalten!« Zarathons Worte kamen trunken von seinen Lippen.
    Er richtete sich auf und setzte den Schamanen in schwindelerregendem Schwung auf seine rechte Schulter, wo dieser sich verzweifelt an die weißen Strähnen klammerte.
    Es waren verzweifelte Augenblicke für den Schamanen, denn er fühlte die Gefahr, in der er sich befand. Sich festzuhalten war eine fast übermenschliche Anstrengung, denn sein Geist – in seiner Entrückung – wollte nichts mit seinem Körper und der Wirklichkeit zu tun haben. Zu tief war ihm eingeprägt, was nach dem Genuß des Pilzes zu geschehen hatte. Ohne große Anstrengung fiel er gewöhnlich in Entrückung und machte sich auf die Suche nach Toten.
    Diesmal kam es nicht soweit. Calutt wollte nichts von den Toten, denn er hatte das Gefühl, daß er ohnehin bald zu ihnen gehören würde.
    Er war vielmehr mit seinem Leben beschäftigt, das der wahnsinnig gewordene Elve offenbar sehr gering, achtete. Er verfluchte den Alppilz. Er verfluchte die Toten, die auf ihn aufmerksam wurden. Er verfluchte den Elven. Er war zwischen zwei Welten in vieler Beziehung, als er auf der Schulter des Riesen hinab nach Elvening ritt.
    Keiner von beiden spürte die Finsternis noch. Selbst der fahle Schimmer zwischen den Ruinen und am Himmel war verschwunden, als wäre er nur Trug gewesen.
    Zarathon war völlig enthemmt. Alle Verantwortung, die er als Wächter des Walles haben mochte – vor Jahrtausenden auf ihn übertragen –, war vergessen. Alle Vernunft, die sonst in diesem überlegenen Verstand hausen mochte, war erloschen. Alle Urteilskraft unterhöhlt von dem grauen Pulver aus den Wildländern.
    Nur ein Verlangen schlug in seiner Brust:
    Hinabzustürmen in die alte Stadt der Väter und sie freizufegen von der finsteren Brut.
    »Ah, Zwerg. Ich fühle mich stark für zwei Dutzend. Es ist ein Wunderkraut, das du da hast. Ich werde dich belohnen für diese Nacht…«
    »Wenn wir sie überleben«, murmelte Calutt nahe an seinem Ohr, doch der Elve hörte es nicht.
    »Aber erst wollen wir die Stadt von allem Unrat säubern, der sich in Jahrhunderten angesammelt hat. Wenn wir fertig sind, wird die Finsternis glauben, Allumeddon sei über sie gekommen, bei meinen Vätern!«
    Mit einer halsbrecherischen Leichtfüßigkeit lief der Elve die Stufen hinab ins Innere des Walles. Calutt blieb keine Wahl, abgesehen von einem Sprung in die Tiefe. Aber das wäre gleichbedeutend mit einem Sprung aus dem Mastkorb auf die Decksplanken eines Schiffes.
    Und so fühlte er sich auch in den Augenblicken, da er an der Wirklichkeit teilnahm: wie auf der Spitze eines Mastes auf stürmischer See. Er war zum Sterben seekrank.
    Mit aller Kraft ans Haar des Elven geklammert, hatte Calutt flüchtige Eindrücke von gewaltigen Gewölben und Korridoren, von Schutt und Verfall, von rasch aus dem Blickfeld verschwindenden Kreaturen.
    Die Fackel, die der Elve entzündet hatte, war von der Größe eines jungen Baumes, und die Flammen schlugen gelegentlich mit schmerzhafter Glut in die Nähe des Schamanen. Andererseits war er dankbar, weil sie seinen immer wieder entgleitenden Geist zurückbrachten.
    Plötzlich war wieder offener Himmel über ihnen. Sie befanden sich in den halbverschütteten Straßen Elvenings.
    Und vor ihnen, zwischen den mächtigen Quaderresten eines Bauwerks, dessen kühne Mauern einst ebenso hoch wie die Elvenbrücke aufgeragt haben mußten, stand ein unförmiges Gebilde aus schwarzem Stein, das im Fackellicht boshaft schimmerte. Schwarzkutten waren überall.
    Das schwarze Steingebilde war die Statue eines Dämons, Sathacions vielleicht, oder Quatoruums. Sie war zwei oder drei Mann hoch und reichte dem Elven gerade bis zur Mitte.
    »Aaaaahhhhh… !« grölte Zarathon, daß es über die ganze Stadt hallen mußte.
    Die Priester starrten ihm voll Entsetzen entgegen. Von Calutts Warte sah es aus, als suchte ein Haufen schwarzer Mistkäfer eilig einen Unterschlupf. Es war ein herzerwärmender Anblick, und Zarathon trat nach ihnen, schleuderte sie mit seinen gewaltigen Füßen zur Seite und machte ihnen

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