Die Endzeit Chroniken - Exodus (German Edition)
Training schließen. Er legte wert auf ein gepflegtes Auftreten; sein strahlend weißer Arztkittel wies nicht die geringste Verunreinigung auf. Unter dem rechten Arm klemmte die dünne Krankenakte seiner Patientin, die er vor ihrem Bett aufschlug und angestrengt hineinsah.
»Sie ... sie kennen meinen Namen?«, stotterte Cassidy mit trockenem Mund.
»Na klar. Kim hat uns erzählt, was mit euch passiert ist.«
»Wie lange …?«
»Du warst zwei Tage unser Gast«, schnitt ihr der Arzt das Wort ab. »Deine Wunde ist nicht sehr ernst. Die Kugel hat deine Halsschlagader um ein Haar verfehlt, aber der Schock und dein Blutverlust zogen dich trotzdem ganz schön runter. Du hattest bis heute Morgen auch so einen Tropf an deinem Arm, damit du wieder zu Kräften kommst. Jetzt, wo du aufgewacht bist, können wir dich aber bald entlassen.«
Er schlug den Ordner zu und lächelte aufmunternd. Cassidy rieb an ihrem Handrücken. Die Einstichstelle hatte sie gar nicht bemerkt, doch nun begann sie auf einmal zu jucken. Der Arzt setzte sich neben Angel und seufzte leise.
»Um sie steht es leider nicht so gut. Angel hat auf eurer Reise viel Blut verloren und die Wunde hat sich entzündet. Der Verband hat seinen Zweck erfüllt, aber die Kugel steckte die ganze Zeit in ihrem Bein. Als wir sie rausgeholt haben, sank ihr Blutdruck sehr stark. Glücklicherweise gibt es bei uns immer genügend freiwillige Spender. Sie ist noch nicht über den Berg, doch ich bin sehr zuversichtlich. Jetzt ruh dich etwas aus. Ich sag deinen Freunden Bescheid, dass du aufgewacht bist.«
Cassidy ließ den Kopf erleichtert zurück in ihr Kissen sinken und schlief augenblicklich wieder ein.
***
Am späten Nachmittag erwachte das Mädchen erneut. Diesmal allerdings nicht von selbst, sondern dank dem vollschlanken Johnny, der vor ihrem Bett hockte und sie mit einer Feder an den nackten Fußsohlen kitzelte. Diese unvorsichtige Vorgehensweise erwies sich jedoch als fataler Fehler, denn Cassidy war an den Füßen äußerst empfindlich. Sie schreckte schlagartig hoch und traf den dicken Ranger an der Nase, der daraufhin rückwärts zu Boden stürzte. Sie öffnete die Augen und erblickte Kim an ihrer Seite sitzend, die sich den Mund vor Lachen hielt. Cassidy schaute nach vorn und zog ein entsetztes Gesicht.
»Entschuldigung!«, keuchte sie durch ihre trockene Kehle. Stöhnend rappelte sich Johnny mit Butchs kräftiger Hilfe wieder auf, der sein schadenfrohes Gelächter dabei keineswegs zurückhielt.
»Wie geht’s unserer Kleinen denn heute?«, fragte Kim schließlich und tat währenddessen so, als würde sie ihren Puls nehmen.
»Na wie wird‘s ihr wohl gehen! Sie schlägt bereits gestandene Männer k.o.!«
»Ich hab dir gesagt, du sollst das lassen! Das hat dir bei mir damals auch eine blutige Nase eingebracht!«, erwiderte Kim spöttisch.
»W-w … Wasser!«, stammelte das Mädchen. Erfahrungsgemäß erwartete Kim ihren Wunsch schon und zückte im Handumdrehen eine Feldflasche samt hauchdünnem Strohhalm, der sie zwang, langsam zu trinken. Nach einer knappen Minute tauchte der Arzt in seinem nach wie vor strahlend weißen Kittel auf und begann sie zu untersuchen.
»Puls normal, Blutdruck schwach aber okay. Du musst dringend etwas essen, aber ich denke ich kann dich entlassen. Anthonys Spezialprogramm sollte deine Genesung beschleunigen«, kommentierte er optimistisch sein Untersuchungsergebnis. Kim half Cassidy vorsichtig aus dem Bett. Noch ein wenig unbeholfen schwankte sie zum Ausgang der Baracke, wo Victor schon auf seine Freunde wartete. Er stand mit Hilfe zweier Krücken direkt in der Tür.
»Das war das dritte Mal, ins selbe Bein!«, rief er mit weit hochgezogenen Mundwinkeln.
»Ja, fang lieber mal an etwas anderes hochzuhalten, wenn du den sterbenden Schwan spielst, sonst ist’s bald vorbei mit den Safaris!«, entgegnete ihm Butch zynisch.
»War doch nur ein Streifschuss!«, brummte Victor beleidigt. Kurz vor dem Ausgang drehte Cassidy sich besorgt um. Angel hatte bei ihrer Rettung so mächtig und unbesiegbar gewirkt, dass der blasse und leblose Anblick unglaublich surreal wirkte. Insgeheim hoffte sie, dass ihre Freundin jeden Moment aufstehen und über die Verletzung lachen würde.
»Hat sich ihr Zustand schon verändert?«, fragte das Mädchen zögerlich.
»Sie ist heute Mittag kurz aufgewacht und hat sich nach dir erkundigt«, antwortete der dunkelhäutige Arzt nickend, der wieder an seinem Schreibtisch saß. »Angel besitzt eine
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