Die Endzeit Chroniken - Exodus (German Edition)
Schmuck zu unterhalten. Die meisten Menschen maßen den schönen Dingen des Lebens keine Bedeutung mehr bei und so wunderte es die modebewusste Frau nicht im geringsten, dass Angel der goldenen Kette einen Becher Wasser vorziehen würde. So gern sich die beiden auch länger über ihre Anhänger ausgetauscht hätten, der Papierstapel auf dem Tisch, auf dem Cassidy die Worte Einsatzbericht und Verluste erkannte, holten sie in die Realität zurück.
»Und was ist, wenn ich gar kein Interesse daran hab, ständig beschossen zu werden?«
»Nun, dann kannst du dir hier eine neue Heimat aufbauen«, antwortete Kim aufrichtig. »Wir suchen immer Leute für die anfallenden Arbeiten der Siedlung. Im ersten Moment klingt unser Job aufregend und interessant, aber du hast selbst miterlebt, wie es da draußen wirklich ist. Wir schlafen in stinkende Felle gehüllt in irgendwelchen Ruinen, bekommen manchmal tagelang nichts zu essen, können uns wochenlang nicht waschen und obendrein beschießt man uns in unregelmäßigen Abständen, schlägt auf uns ein, versucht uns abzustechen und so weiter. Dazu kommt, dass du nie weißt, was noch alles in deinem Schlafsack herumkrabbelt! Hier in Silver Valley bist du dagegen relativ sicher. Es hat schon seit einiger Zeit keine Verluste mehr aufgrund von Überfällen gegeben. Die Nahrungs- und Wasserversorgung ist gesichert und du hast jederzeit hilfsbereite Menschen um dich herum.«
Cassidy ließ den Blick in Gedanken versunken durch die Siedlung schweifen. Die friedlichen Einwohner führten in der Tat ein glückliches, ausgefülltes Leben. Für alle gab es eine Aufgabe, eine Bestimmung. Unter freiem Himmel lehrte ein Großmütterchen den Kindern das Lesen und Schreiben; die Mädchen und Jungen saßen aufrecht wie kleine Gartenzwerge vor ihren Schulbänken. Auf einmal wurde die Lehrerin auf einen struppigen Hund aufmerksam, der ihre Schüler ohne jede pädagogische Rücksicht zum Spielen aufforderte. Hinter ihr bereitete sich unterdessen eine Gruppe von Jägern auf einen Ausflug vor. Sie führten ihre Pferde vor dem Aufbruch zur Tränke, füllten ihre eigenen Feldflaschen und diskutierten anhand einer Karte, wo sie wohl heute am ehesten auf Wild treffen könnten. Cassidys Blick wanderte zur Tankstelle, vor der Monroe gerade einem Ranger-Team letzte Anweisungen erteilte. Auf der Brust des Fahrers funkelte ein silberner Anhänger im Sonnenlicht, der sie hin und wieder kurz blendete.
Als auf einmal eine junge, zierlich wirkende Frau hinter dem silbergrauen Pick-up der dreiköpfigen Gruppe hervortrat, weiteten sich Cassidys blaue Augen vor Neugier. Durch das dünne Brillengestell auf ihrer Nase und dem kurzen, schwarzen Zopf über ihrem Nacken wirkte sie überaus intelligent und gebildet. Vor dem globalen Zusammenbruch wäre sie mit Sicherheit als leicht zerstreute Studentin durchgegangen. Hier aber hielt sie eine kompakte Maschinenpistole in den Händen und schützte ihren zerbrechlich wirkenden Körper mit einer schusssicheren Weste. Zwischen ihren beiden männlichen Kameraden sah sie völlig deplatziert aus und dennoch blickte niemand auf sie herab. Monroe richtete sogar den Großteil seiner Worte an die zierliche Frau und übergab ihr vor der Abfahrt die schriftlichen Einsatzbefehle.
»Lohnt es sich?«, dachte Cassidy laut, als der General sein Team mit einem Handschlag verabschiedete. Kim hatte ihren Blick verfolgt und konnte sich ausmalen, was dem Mädchen durch den Kopf ging.
»Oh ja«, antwortete sie verträumt und ließ dabei all die Abenteuer, die sie zusammen mit ihren Freunden erlebt hatte, vor ihren Augen vorbeiziehen. Es gab Zeiten, da bereute sie es, je eine Waffe in die Hand genommen zu haben, aber dennoch kam für sie ein normales Leben noch nie in Frage. Cassidy atmete tief ein und aus, lauschte den Kindern, die von ihrer Lehrerin zur Ordnung ermahnt wurden, dem Hundewelpen, der sie anbellte – und irgendwo miaute ein Kater auf der Suche nach einer paarungswilligen Katze.
»Ich muss darüber nachdenken«, sagte sie gedankenversunken. »Gibt‘s hier auch Wasser zum Trinken?«
Kim zeigte sich erfreut, dass Cassidy reif genug war, diese schwerwiegende Entscheidung nicht aus dem Bauch heraus zu treffen, zog ihre Mundwinkel hoch und fragte schelmisch, ob sie schon einmal Kaffee probiert hätte.
»Das ist ein schwarzes Zeug, das man heiß trinkt. Schmeckt fürchterlich, aber macht munter! Vor dem Zusammenbruch war die Menschheit süchtig danach, jetzt gibt es nur noch ganz
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