Die Endzeit Chroniken - Nemesis (German Edition)
nichts anfangen und fragte sich, für welchen Anlass sie rosafarbene Tarnschminke auf ihren Fingernägeln auftrugen. Am Ende war sie überzeugt, wie ein Clown auszusehen, als die beiden sie im Anschluss an eine halbe Stunde intensive Arbeit zum Spiegel umdrehten.
Tatsächlich hätte sie sich im ersten Moment kaum wiedererkannt. Sie wirkte um Jahre reifer und gleichzeitig noch jünger als siebzehn. Sämtliche Gesichtsunebenheiten waren verschwunden und selbst kleine Narben aus ihrem harten Endzeitleben nicht mehr zu sehen. Nur die Schussverletzung am Hals, die Cassidy in Temple Town erhalten hatte, konnten sie nicht wegretuschieren.
»Und zu guter Letzt, Phase drei!«, rief Jenny, als sie Cassidy in das Schlafzimmer ihrer Wohnung im zweiten Stock führten. »Klamotten!«
Gemeinsam öffneten Alison und Jenny ihren fünf Meter breiten Kleiderschrank. Die linke Hälfte gehörte Alison, die dunklere Sachen bevorzugte und viele schwarze Shirts und Hosen besaß. Die rechte Hälfte war ganz klar von Jennys farbenfrohem Look geprägt und erinnerte Cassidy erneut an Kim, die sich vermutlich liebend gern wochenlang in dem Schrank einschließen lassen würde, ohne Langeweile zu bekommen.
Nacheinander hielten sie Cassidy Kleidungsstücke vor die Brust, bis Alison die Wahl für sich entschied, und ihr ein bauchfreies, schwarzes Top mit dazu passender Jeanshose lieh. Schamgefühl kannte sie nach vielen Jahren auf engstem Raum mit ihren Nachbarn eigentlich nicht, aber bei dem freizügigen Outfit war sie sich dann doch nicht ganz sicher.
»Fall ich damit nicht zu sehr auf?«, murmelte sie nervös, als Jenny ihr auch noch eine dünne Silberkette mit Herzchenanhänger um den Hals hängte, um den Blick von ihrer Schussverletzung zu ziehen. Im Spiegel betrachtet, erkannte sie nun weder ihr Gesicht noch ihren Körper wieder. Die beiden hatten sie wie eine Puppe frisiert, geschminkt und angezogen. Das Gesamtergebnis hätte wahrscheinlich jeden Mann aus den Freien Enklaven umgehauen.
»Mit deiner Figur ist das doch gerade die Absicht dahinter!«, versicherte ihr Alison. Immerhin standen die beiden Cassidy in nichts nach, nur, dass sie sich dabei in ihrem Element zu fühlen schienen.
»Einundzwanzig Uhr dreißig. Wir müssen los!«, drängelte Jenny.
»Wir sollen Brandon und Dekker beim Tempel abholen«, sagte Alison, während sie die Wohnungstür hinter sich schloss.
»Beim Tempel?«, wunderte sich Jenny. »Was machen die denn da?«
Alison zuckte mit den Schultern. »Vielleicht bekommt unsere Diplomatin hier ein paar ehrliche Antworten.«
Das darauffolgende Lachen im Hausflur ließ Larry aus der Tür im ersten Stock treten.
»Kommt ihr heute Nacht noch zurück?«, fragte er misstrauisch.
»Wo sollen wir denn sonst schlafen?«, erwiderte Jenny schnippisch. »In die Baracken von Dekker kriegt mich keiner rein!«
»Dann vergiss nicht wieder deinen Schlüssel!«
Dabei warf Larry ihr ihren Schlüsselbund zu, den sie nach dem Einkaufen in der Küche liegengelassen hatte.
Das bunte Treiben vom Nachmittag hatte stark abgenommen und die meisten Menschen, die zu so später Stunde noch unterwegs waren, schienen im jungen Erwachsenenalter zu sein. Nur eine dünne Strickjacke schützte Cassidy dabei vor den kalten Temperaturen, die nach Mitternacht beinahe frostig werden würden. Sie vermisste ihr solides Armeejackett. Es war mit seinen Tarnfarben und riesigen Taschen zwar nicht besonders kleidsam, aber dafür warm. Lange würde sie es hier draußen nicht aushalten.
»Da seid ihr ja endlich!«, rief ihnen eine Männerstimme entgegen, als sie den Sophiaplatz überquert hatten. Brandon und Dekker standen von den Stufen des Themis-Tempels auf. Beide trugen Armeehosen mit Tarnmustern, wie es bei den Prätorianern üblich war. »Sorry für den Look«, entschuldigten sie sich. »Sisi hat uns kurz nach dem Training zu sich bestellt.«
»Habt ihr wenigstens geduscht?«, fragte Jenny und schnüffelte mit gerümpfter Nase an Dekkers Achselhöhlen.
»Zufrieden?«, erwiderte er mürrisch.
»Hallo Cassidy!«, rief Brandon der schüchtern dreinblickenden Teenagerin plötzlich entgegen. Unter seinem linken Ärmel ragte ein weißer Verband von seiner Schussverletzung der letzten Nacht hervor.
»Ihr kennt euch?«, fragte Alison verdutzt.
»Tja, hättest du dich mal nicht im Kornspeicher versteckt!«, stichelte Jenny und erntete eine freche Grimasse mit herausgestreckter Zunge.
»Lasst uns lieber los«, entschied Dekker. Er legte seinen Arm um
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