Die Endzeit Chroniken - Nemesis (German Edition)
braucht was anständiges im Magen, ehe wir mit der Übung anfangen«, erklärte Grant. »Die Männer sollen den Truck auftanken und dann den Grill anschmeißen.« Etwas widerwillig drückte Dog daraufhin einem Legionär das Verpflegungspaket in die Hand. »Vielleicht kriegen wir Torus ja damit umgestimmt«, fügte Grant hoffnungsvoll hinzu und betrat das Kommandantengebäude. Captain Deveroux warf Dog einen abschätzenden Blick zu, woraufhin Grant noch einmal stehenblieb und auf die Soldatin zeigte.
»Captain Jill Deveroux, Dog«, stellte er sie einander vor.
»Ist er der Ersatz für ...«
»Korrekt«, fiel ihr Grant ins Wort. »Aber erst wird gegessen!«
***
Als Angel und Jade die runde Versammlungshalle der Bacchae über den Hinterausgang verließen, hörten sie auf einmal Klavierklänge, die durch die Flure hallten.
»Wie war dein Kaffee heute Morgen?«, fragte Jade.
Angel wippte eine Handfläche nach links und rechts. »Ging so«, gab sie zu. »Cassidy kennt sich mit euren Kaffeemaschinen noch nicht aus. Warum?«
»Komm mal mit.«
Jade führte sie in das stark überdekorierte Zimmer, in das der Geheimgang mündete und in dem das blankpolierte Klavier stand. Ein vierzehnjähriger Junge saß davor und spielte mit talentierten Fingern unter der Aufsicht von Sydney.
»Stören wir?«, hauchte Jade ihr in der Tür zu.
»Im Gegenteil. Henry könnte etwas Publikum gebrauchen, um sein Lampenfieber loszuwerden«, antwortete Sydney in normaler Lautstärke und wies den Jungen an, sich für einen Moment umzudrehen. »Er wird heute Abend nämlich auf der Bühne stehen – sitzen!«
Ohne Anweisung stand Henry auf und verneigte sich mit knallrotem Kopf vor Jade.
»Na? Haben wir nicht was vergessen, Mister?«, tadelte ihn Sydney mit den Händen an den Hüften.
Henry stellte sich zurück in seine Ausgangsposition, legte den rechten Arm vor den Körper, streckte den linken etwas aus, verbeugte sich und zog dabei gleichzeitig einen Fuß nach hinten weg. Eine adelige Kratzfußverbeugung, die Sydney ihn für Bühnenaufführungen gelehrt hatte.
»Schon besser!«, lobte sie ihn. »Also gut, was spielen wir als nächstes ...«
Angels Gesichtszüge waren bei der Begrüßung erstarrt. Sie wusste nicht, ob sie über die Übertriebenheit lachen oder die Disziplin staunen sollte. Mit einem energischen Blick zerrte Jade sie zur Sesselecke gegenüber dem Klavier, damit sie Henry nicht weiter einschüchterten.
»Der Kaffee kommt gleich«, flüsterte sie und verschwand in einem Nebenraum, aus dem kurz darauf klirrendes Geschirr schepperte.
Sydney runzelte verärgert die Stirn in Richtung Tür. Als sie sich gerade über den Lärm beschweren wollte, tauchte Jade mit zwei dampfenden Tassen wieder auf. »Entschuldigung!«, hauchte sie durch den Raum.
Henry hatte sich davon jedoch nicht stören lassen. Sein fehlerfreies Klaviersolo erfüllte die Bibliothek und ließ sogar Angel in ihre Gedankenwelt abdriften.
»Er ist richtig gut«, flüsterte Jade ihr zu. »Sydney übt seit sechs Jahren mit ihm.«
»Ich dachte, ihr seid ständig unterwegs und bringt irgendwelche Leute um?«
»Für die meisten Bacchae trifft das zu, aber seit ich meine Ausbildung abgeschlossen habe, verlässt Sydney die Stadt nur noch selten«, antwortete Jade und umkreiste dabei nachdenklich ihren Tassenhals mit der Zeigefingerspitze. »Sie ist sehr krank.«
»Was hat sie denn?«, wunderte sich Angel. Sydney saß neben Henry, zeigte ihm die richtigen Griffe auf den Klaviertasten, blätterte seine Seiten um und lachte gemeinsam mit ihm. Nichts wies auf Schmerzen oder Unwohlsein hin, wie sie es von Krankheitsfällen in Silver Valley kannte.
»Du hast vermutlich noch nie von MS gehört?« Angel schüttelte den Kopf. »Das heißt Multiple Sklerose. Ich hab nicht alles verstanden, was uns die Ärzte erklärt haben, aber ihre Symptome sind Lähmungserscheinungen und Sehschwäche.«
»Aber sie sieht doch völlig gesund aus?«, hauchte Angel vorsichtig zurück. Sie erinnerte sich an Sydneys selbstbewusstes Auftreten vor General Torus.
»Ihre Krankheit tritt in Schüben auf. Es können Monate oder sogar Jahre bis zum nächsten Schub vergehen, der dann ein paar Tage andauert. Anschließend bilden sich die meisten Symptome wieder zurück, aber nicht alle.« Jade wandte sich direkt zu Angel. »Nur die Bacchae, einige Nocturnals und ein Team von Spezialisten um Doktor Garrett wissen davon. Weder Grant noch Torus; nicht mal der Imperator. Es würde ihre Position
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