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Die englische Episode

Die englische Episode

Titel: Die englische Episode Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Oelker
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jedenfalls nicht miteinander. Und Ehefrau, das passt nicht in die Geschichte, oder? Verführte Unschuld muss schon sein. Jedenfalls, der hat keine Geduld, vielleicht ist er auch ein jähzorniger Mensch oder sie hat ihn besonders gemein beleidigt, was solche Mädchen gern tun, Miss, damit kenne
ich
mich genau aus. Ja. Oder sie hat ihm einfach zu viel Kleider und anderes Weiberzeug gekauft, ihr ganzer Reisekorb war voll mit Seidenkram. So was ist ja teuer, und wenn man sich in einem schäbigen Zimmerchen einmietet, hat man dafür gewöhnlich nichts übrig. Oder? Jedenfalls hat ihr der feine Herr letzte Nacht so lange ein Kissen aufs Gesicht gedrückt, bis sie kein Wörtchen mehr sagen konnte. Ganz unblutige Angelegenheit, leider.Aber tot ist tot und macht immer eine gute Geschichte.»
    Mr.   Marlowe lehnte sich schnaufend zurück und betrachtete skeptisch Rosinas Gesicht. Sie war kein bisschen blasser geworden, doch ihre Augen waren plötzlich hellwach. Es gibt keine mitleidenden Seelen mehr, dachte Marlowe betrübt, nicht einmal unter den Frauen.
    «Wie hieß das Mädchen eigentlich?», fragte sie. «Und der Mann, von dem Ihr sagt, er sei ihr Galan gewesen?»
    «Weiß ich nicht. Leider, sicher wären auf ihre Namen auch schöne Reime zu finden. Ich hatte mal eine Geschichte über Rosemary von Glengerry, wurde leider gehängt, war eine echte Schande für das bisschen Schmuggelei, wo sie doch Mutter war. Falsche Namen würde ich nie verwenden. Bei aller Freiheit muss auch die Kunst Grenzen haben, besonders wenn sie von grauenvollen Tatsachen erzählt. Es bringt sonst Unglück, müsst Ihr wissen, man darf nichts berufen. Würde ich das Mädchen zum Exempel Charlotte nenn’, könnt’ das gleiche Los eine treffen, die tatsächlich so heißt. In diesem Fall womöglich unsere Majestät, wenn sie auch längst kein Mädchen mehr ist.»
    «Ich glaube Euch nicht, Mr.   Marlowe. Warum wollt Ihr mir den Namen nicht sagen?»
    «Weil ich ihn nicht weiß, Miss. Wirklich nicht. Ich schwöre», er legte die Hand auf sein Herz, «bei Königin Charlottes hochwohlgeborenem Leben.»
    «Ihr sagt, sie wohnte in einem schäbigen Zimmerchen?», fragte nun Vinstedt, der wie zuvor Marlowe aufmerksam Rosinas Gesicht beobachtet hatte. «Wo war es? In welcher Straße? Ihr wisst doch sicher, wo man sie gefunden hat.»
    «Half Moon Street. Das kann ich auch beschwören. Jedenfalls hat man es mir so gesagt.» Marlowe wurde ungeduldig. Er wusste nicht, wozu es für die Reimerei nötig war, das zu wissen. «Gar nicht weit von hier. Wenn wir nun die Reime   …»
    «Sicher», sagte Rosina, «sofort. Hier steht ‹…   kam von Ferne über das Meer in unser Land›. Woher kam sie?»
    «Das ist auch so ein Problem, ja, aber das ergibt sich oft, man muss es umschreiben, versteht Ihr? Sie kam wohl aus Holland. Oder aus Preußen, das wusste», er räusperte sich, «das wusste mein Informant nicht.»
    «Ein Informant?», fragte Vinstedt. «Darf man wissen, wer
der
ist?»
    «Darf man nicht. In meinem Gewerbe hat man Informanten an der Quelle. Das kostet, ist aber unerlässlich. Wenn wir
jetzt
zu den Reimen   …»
    Rosina nickte. «Gut», sagte sie, «die Reime. Unhold und Grobian – ich finde, den Vers solltet Ihr so lassen. Und nun weiter:
Im Gürtel ein verborg’nes Messer
. Was reimt sich auf Messer? Fällt Euch etwas ein, Mr.   Vinstedt?»
    Sie wandte sich ihm zu und sah in Augen, die auf keinerlei Gedanken an das mörderische Messer schließen ließen. Eher an sonnige Wiesen – auf alle Fälle auf etwas weit Entferntes.
    «Mr.   Vinstedt», rief Rosina und zupfte ihn am Ärmel. «Messer. Was reimt sich   …»
    «O ja, das Messer.» Er verzog sein Gesicht zu einer nachdenklichen Grimasse. «Ich habe keine Ahnung», gestand er schließlich, «vielleicht passt Erpresser, Mr.   Marlowe? Oder Mädchenfresser?»
    «Grandios.» Marlowe zog Rosina den Bogen aus der Hand, tauchte die Feder in sein Tintenfass und schriebeilig die Worte nieder.
«Im Gürtel ein verborg’nes Messer»
, sang er leise vor sich hin, allerdings mit einem so durchdringenden Bass, dass es in der Taverne schlagartig still wurde, was er im Eifer seiner Dichtkunst jedoch nicht bemerkte. «

schlich er nach iiihrer Kammer hin. Der teufelische Mädchenfreeesser
– Erpresser hebe ich mir für eine andere Gelegenheit auf, wenn Ihr erlaubt, ein sehr schönes Wort, ja, –
hatte Mördeeeerisches im Sinn.
Wirklich grandios, Mister. Und jetzt die Bluttat, aber nicht zu kurz, bitte

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