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Die englische Episode

Die englische Episode

Titel: Die englische Episode Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Oelker
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für die Überfahrt zu verdienen. Alle suchten Arbeit, doch nicht einmal Kaspar, der ein schneller, zuverlässiger Arbeiter war, einen Gesellenbrief hatte und niemals trank, nicht einmal er fand andere als niedrige Arbeit zum Tagelohn, der kaum genug für die Miete und das Essen einbrachte.
    Alma würde ihr nicht verübeln, was sie getan hatte, und der Constabler – der konnte nichts wissen. Das war ganz unmöglich. Aber so war es immer: Wer Unrechtes getan hatte, erkannte jedes freundliche Gesicht als bedrohliche Fratze.
    Sie wollte nicht länger hier bleiben, erst recht nicht in diesem stinkenden Loch. Es war nicht gut, auch nicht für Kaspar. Sie hätte sich selbst gerne eine Arbeit gesucht, doch was sie konnte, galt hier nicht viel. Sie verstand sich auf alles, was eine Frau auf einem Bauernhof können muss. Auch die grobe und schwere Arbeit. Tausende bis an den Rand gefüllte Eimer hatte sie vom Bach zur Küche oder in die Ställe geschleppt. Zahllose Forken von Heu und Mist gehoben, sie hatte Böden und Tische geschrubbt, bis die weiß und ihre Hände wund waren. Sie war stark.
    ‹In Hudson›, hatte Kaspar gesagt, ‹magst du alles tun, was du willst und kannst. Wenn es zu Anfang sein muss, auch in andern Häusern. Das ist keine Schande. Aber in dieser Stadt lass ich dich nicht zu fremden Leuten gehen, man weiß nie, wer die sind. Wir schaffen es auch so. Wirst schon sehn.›
    In der Nacht, als sie später den Streit im Nachbarzimmerhörten, fand sie keinen Schlaf und überlegte, ob sie nicht doch Mr.   Dibbers Drängen nachgeben und hin und wieder die Herren in den Bädern bedienen sollte. Es konnte doch nicht so schlimm sein. Sicher waren dort tatsächlich, wie der Wirt wortreich beteuerte, nur vornehme Herren. Wer sonst ging in ein Badehaus, dazu am helllichten Tag, und ließ sich dort auch noch bewirten? Ihr Mann müsse es gar nicht merken, hatte Mr.   Dibber gesagt, der sei doch vom Morgen bis in den Abend fort.
    Der Streit, der so plötzlich abbrach, und danach die raschen Schritte auf der Treppe und zum Haus hinaus unterbrachen ihr Grübeln. Kaspar würde sie niemals so lange allein lassen, wie es der Mann ihrer Nachbarin tat. Er würde auch niemals mitten in der Nacht wieder davonlaufen. Alma mochte schönere Kleider und die größere Zuversicht haben, dennoch wollte sie nicht mit ihr tauschen. Niemals! Sie und Kaspar würden es schaffen. Bald.
    ‹Wirst schon sehn›, dachte sie, kuschelte sich an den schlafenden Kaspar und schlief lächelnd ein.
    Als sie am Morgen erwachte, beschloss sie, ihre neue Nachbarin zu besuchen, um sie zu trösten. Nach einem Streit mitten in der Nacht musste sie zutiefst betrübt sein. Vielleicht konnte sie ihr auch wegen der Arbeit in dem Badehaus raten. Alma kannte sich aus mit dem Leben in den Städten und wusste immer schnell Rat, wenn auch nicht immer guten.
    Dann ging alles so schnell, dass sie sich später kaum an Einzelheiten erinnern konnte. Sie hatte geklopft, und als niemand antwortete – die städtische Sitte, vor dem Eintreten zu klopfen und auf ein ‹Herein› zu warten, war ihr noch fremd   –, öffnete sie die Tür. Zuerst dachte sie, Alma sei krank, doch sie kannte den Tod und wusste schnell,dass er hier ein Opfer gefunden hatte. Sie stieß das Fenster auf und schrie um Hilfe, was dumm war, da war doch nichts mehr zu helfen, wenn jemand tot war.
    Und da sah sie das Mieder auf dem Reisekorb unter dem Fenster liegen, genau das Mieder mit dem kostbaren Geheimnis, das Alma ihr erst am Tag zuvor gezeigt hatte.
    ‹So musst du es machen›, hatte sie gesagt, ‹nimm dir nicht, was dir zusteht, sondern was du brauchst. Wer viel fragt, bekommt viel dumme Antwort.› Im Übrigen stehe ihr alles, was an dem Mieder besonders sei, sowieso zu. Es gehöre ihr, und noch einiges mehr.
    Sie hatte gelacht, die Augen voller Spott, doch Pauline hatte gewusst, dass der Spott nicht ihr galt.
    Da lag dieses Mieder nun, und als zwei Frauen von der Straße ihrem Hilferuf folgend die Treppe heraufgekeucht kamen, Mr.   Dibber gleich hinter ihnen, da hatte sie es schon in der Hand, und alle dachten, es sei ihres. Wenn überhaupt jemand das Mieder bemerkte, die Tote bedeutete genug Aufruhr.
    Dann kam ein Constabler und später der dicke alte Mann mit der schwarzen Binde vor den Augen. Der blinde Richter, hatte jemand respektvoll geflüstert und ihr war übel geworden vor Angst. Aber natürlich hatte niemand nach dem Mieder gefragt, auch Richter Fielding nicht, obwohl er viele

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