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Die englische Episode

Die englische Episode

Titel: Die englische Episode Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Oelker
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sagte sie, holte van Wittens Liste hervor und klopfte auf den ersten Eintrag auf dem zweiten Bogen, «damit hat sie bezahlt.»
    «Mit einer Münze? So ein dummes Ding», brummte Titus, der sich nach Helenas schrillem Ruf auch eingefunden hatte, «hatte sie denn überhaupt keine Ahnung, wie teuer solche Dinger sind? Oder kosten Fächer und Kämme in London so viel, wie ein solches Sammlerstück wert ist?»
    «Ich weiß nicht, wie diese Münzen und Medaillen gehandelt werden», erklärte Rosina, «aber einen schlechten Tausch hat sie auf alle Fälle gemacht.»
    Sie schob Wagner den Bogen über den Tisch zu und sah ihn triumphierend an. «Es ist der Hamburger Weihnachtstaler, Wagner, ich kann mir nicht vorstellen, dass es eine andere Frau in London geben könnte als unsere Diebin, die mit diesem Silberstück ihre Fächer bezahlt.»
    «In der Tat», murmelte Wagner, immer noch über die Liste gebeugt, «in der Tat. Der Weihnachtstaler, so. Und Ihr seid ganz sicher? Ich meine, auf der Liste ist er nur beschrieben, wir haben kein Bild.»
    «Natürlich bin ich ganz sicher. Er ist unverkennbar, bei irgendeiner wertvolleren römischen Münze wäre ichüberhaupt nicht sicher gewesen, die hätte ich ohne gründlichen Vergleich mit dem Text auf der Liste schwerlich unterscheiden können. Ich hätte mich kaum an eine erinnert, und in dem Laden konnte ich schlecht die Liste hervorziehen und um eine Vergrößerungslinse bitten. Nein, Wagner, es gibt keinen Zweifel mehr, die Tote in der Half Moon Street ist Alma Severin. Außerdem hat Mrs.   Milbow gesagt, ihre Kundin habe von ihrem Mann oder Bräutigam als Felix gesprochen, nur einmal, glaube ich, aber das reicht doch. Der Mann, mit dem die Patentochter der Senatorin durchgebrannt ist, heißt auch Felix. Felix Landahl. Braucht Ihr noch mehr Beweise?»
    Wieder einmal wünschte Rosina sich mehr Geduld. Sie verstand Wagners bekümmertes Gesicht nicht. Dabei grämte er sich nur, weil er nicht gleich seiner Pflicht nachgekommen und in die Half Moon Street geeilt war, nachdem er die Nachrichten des Bänkelsängers gehört hatte. Er wollte das, aber Karla war nach den langen Wegen durch die Stadt so müde gewesen, sie hatte eine Stunde Schlaf gebraucht und er hatte sie nicht alleine lassen wollen. Und dann war er selbst eingeschlafen, fest und tief, bis Helenas Ruf ihn geweckt hatte. Wenn er nun selbst noch zu Mr.   Dibber ging, wenn er es auch schlauer anstellte als Rosina, würde er nichts mehr erfahren. Schon gar nicht über den Aufenthaltsort von Landahl, und der war es, den er suchte und finden musste, wenn er seinem Senator jemals wieder unter die Augen treten und Hobert, seinen neuen Wedde-Konkurrenten, ein für alle Mal in die Schranken weisen wollte.
    «In der Tat», murmelte er noch einmal, «dann ist sie also tot. Die Frau Senatorin wird untröstlich sein. Wäre ich schneller gewesen   …»
    «Das ist Unsinn, Wagner», rief Rosina. «Schneller ging es nicht, und es hätte auch nichts genützt. Wir haben überhaupt nur von ihr erfahren, weil der Bänkelsänger seine Neuigkeiten unter das Volk bringen wollte. Wäre sie nicht tot, hätten wir sie womöglich nie gefunden. Nun gibt es immerhin eine Spur. Die ist zwar eiskalt, aber wer weiß, was morgen geschieht.»
    «Morgen ist ein neuer Tag», sagte Karla munter, zog die Nase kraus und ließ ihre kekskrümelige Hand tröstend in Wagners schlüpfen.
    «So ganz kalt ist die Spur doch gar nicht», wandte Jean ein. «Wenn ich dich richtig verstanden habe, Rosina, heißt es, ihr Galan, Entführer oder was immer er ist, soll der Mörder sein. Irgendeine Wache muss es hier doch auch geben. Wenn Wagner nun in die Bow Street zu diesem blinden Mann geht, der in diesem Teil der Stadt der Friedensrichter ist, und sich erkundigt, von Kollege zu Kollege sozusagen, wird er sicher jede Auskunft bekommen.»
    Wagner murmelte etwas Unverständliches, zog hastig sein blaues Tuch hervor und begann es in den Händen zu kneten.
    «Bist du verrückt, Jean?», knurrte Titus. «Sie werden Adam sofort einlochen. Auf seinem Pass steht jetzt, er ist ein fahrender Komödiant aus Hamburg. Aus Hamburg. Wie die Tote. Muss ich dir erklären, was für eine Empfehlung ‹fahrender Komödiant› in den Amtsstuben ist? Sie werden denken, er heißt eigentlich Felix und ist der Mörder. Passpapiere kann man leicht fälschen.»
    «So dumm werden sie nicht sein, Titus. Der Wirt kann bezeugen, dass er es nicht ist, und diese Mistress mit ihren Kämmen und Fächern hat

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