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Die englische Ketzerin: Roman (German Edition)

Die englische Ketzerin: Roman (German Edition)

Titel: Die englische Ketzerin: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brenda Vantrease
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William Tyndales Schrift Der Gehorsam eines Christenmenschen zu arbeiten. Neben dem Neuen Testament mit seinen üblen lutherischen Anmerkungen war dies zweifellos der hinterhältigste und ketzerischste Text, den Tyndale je verfasst hatte.
    »Was ist, Alice?«
    »Ich bringe dir etwas zu essen«, sagte sie und stieß, das Tablett in ihren Händen, die Tür mit einer ihrer ausladenden Hüfte auf.
    »Stell es irgendwo hin«, sagte er kurz angebunden und ohne aufzublicken. Er hörte, wie sie hinter ihm das Tablett auf dem Tisch abstellte, der unter dem Fenster stand, aber er sollte natürlich nicht so leicht davonkommen. Im nächsten Moment spürte er, wie ihre Haube seinen Nacken streifte, als sie versuchte, ihm über die Schulter zu sehen.
    »Was machst du denn da? Anscheinend müssen wir uns jetzt alle daran gewöhnen, dass du ständig beschäftigt bist, da du nun die prächtige Amtskette trägst.« Ihre üppige Brust war so stolzgeschwellt, dass sie fast die Nähte ihres Mieders zu sprengen drohte. »Deck das, was du da gerade geschrieben hast, nicht zu«, forderte sie ihn auf. »Ich habe ein Recht, es zu sehen – es sei denn, es ist irgendeine geheime Staatsangelegenheit, über die du nicht sprechen darfst?«
    »Ich muss es gar nicht zudecken. So gut ist dein Latein nämlich nicht. Außerdem habe ich keinen Grund, es vor dir zu verstecken.«
    »Und was steht da?«
    »Eine Replik auf Tyndales jüngsten Frevel. Da steht, dass Willliam Tyndale und seinesgleichen nichts anderes als Ketzer sind. Dass ihre heimtückischen Schriften, die jeden Menschen zu seinem eigenen Priester machen wollen, den Scheiterhaufen entzünden werden, auf dem ihre abscheulichen Körper verbrennen werden, sollten sie es wagen, jemals nach England zurückzukehren. Und dass wir sie in ihren Fuchsbauten aufspüren und für ihre unverzeihlichen Sünden verantwortlich machen werden.«
    »Das also ist die Aufgabe eines Lordkanzlers! Nicht der Krieg mit Frankreich oder neue Steuern oder … « Sie zog empört ihre grauen Augenbrauen zusammen, sodass sich ihre Stirn in Falten legte. »Kein Wunder, dass du keinen Appetit mehr hast. Ich kenne einige der Wörter, die dort stehen. Meine Brüder haben immer solche Worte auf ihre Schiefertafeln gekritzelt, wenn der Tutor gerade einmal nicht hinsah. Das ist die Sprache von Menschen niedrigen Standes. Unwürdige Worte für eine Abhandlung des Kanzlers von England. Aber wie dem auch sei, wieso ist das hier so wichtig?«
    Er nahm die Feder wieder in die Hand, tunkte sie ins Tintenfass und seufzte.
    »Das begreifst du nicht, Alice. Das hier ist wichtiger als eines Menschen Heim und Herd, wichtiger als das Königreich selbst. Das ketzerische Gedankengut, das dieser Mann und seine Freunde mit ihren englischen Bibeln in England verbreiten, könnte sogar eine Gefahr für die heilige Mutter Kirche werden. Sie zu schwächen, heißt, sie irgendwann zu zerstören. Weder ich – noch irgendein anderer guter Christ – kann und darf dem tatenlos zusehen. Die Kirche muss geschützt werden, koste es, was es wolle.«
    »Ich bin bestimmt keine Lutheranerin, wie du weißt, aber selbst ich sehe nicht ein, wie das Lesen der Bibel …«
    Er brachte sie mit einem ärgerlichen Wink zum Schweigen.
    »Wie ich bereits sagte, Alice, du begreifst das nicht. Wo auch immer die Bibel in der Landessprache gelesen wird, verstehen die unwissenden Bauern sie falsch. Es stachelt sie zu nichts anderem als mordgieriger Rebellion an. Es muss Disziplin und Ordnung herrschen. Ohne Ordnung breitet sich ebenjene Art von Chaos und Unruhe aus, die gerade im Rheinland um sich greift. Die Kirche verkörpert die bestehende Ordnung. Ihre Wahrheit wurde über fünfzehnhundert Jahre hinweg durch kontinuierliche Abfolge an uns weitergegeben. Wenn du nicht erkennst, wie wichtig es ist, ebendies zu schützen, dann gnade dir Gott!«
    Sein Ton machte sie wütend, so wie sie auch immer wütend wurde, wenn er zu ihr sagte: »Du begreifst das nicht.« Und heute hatte er es sogar zweimal gesagt. Um des ehelichen Friedens willen sollte er bei seiner Wortwahl etwas vorsichtiger sein.
    Sie gab seinem Manuskript einen kleinen Stoß.
    »Man könnte meinen, dass es sich um die Kirche von Thomas More und nicht um die Kirche von Jesus Christus handelt. Ich denke, der liebe Gott kann seine Kirche sehr wohl beschützen, wenn sie Schutz braucht. Jedenfalls wird er nicht von dir erwarten, dass du dein Abendessen dafür opferst.«
    »Du begreifst …«
    Sie stürmte sichtlich

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