Die englische Ketzerin: Roman (German Edition)
Buch mit uralten Schriften. Jeder Mensch kann unter der Anleitung des göttlichen Geistes diese Schriften auslegen. Genau das ist Thomas More und all jenen verhasst, die mit aller Macht diese Stätte der Pharisäer aufrechterhalten wollen, zu der die Römische Kirche verkommen ist. Sie können es nicht dulden, dass diese Überzeugung – und jene, die sie lehren – weiter besteht.« Er brach seufzend ab, legte den Arm um ihre Schultern und sagte: »Ihr sollt eines wissen: Als wir zum ersten Mal über diese Reise sprachen, habe ich mich erboten, nach England zu fahren. Aber John bestand darauf, selbst zu fahren.«
Dies tröstete Kate jedoch nicht im Geringsten.
»Wir sollten jetzt am besten zurückgehen«, sagte sie. »Ihr zu Eurer Arbeit und ich zu … zu meinen Sorgen.«
»John hat mir von den Bibelstunden der Frauen erzählt«, sagte er. »Ich finde, das ist eine wunderbare Sache. Aber es ist nicht ungefährlich.«
»Macht Euch deswegen keine Gedanken« sagte sie und hatte das Gefühl, die Worte in ihrem Mund wären trocken wie Watte. »Ich habe die Bibelstunden aufgegeben. Um der Sicherheit meines Kindes willen. Es geht jetzt nicht mehr nur allein um mich.«
Er tätschelte beruhigend ihre Schulter. Sie war jedoch keineswegs beruhigt.
Später an diesem Abend machte sie sich noch größere Sorgen, als sie Johns Schreibtisch aufräumte und zwischen den Seiten seiner Disputation über das Fegefeuer die sorgfältig gefälschten Papiere fand, die ihn als Kaufmann der Hanse ausweisen sollten. Sie betete inständig darum, dass er ihr Fehlen bemerkte, bevor man ihn aufforderte, sie vorzuzeigen.
So weit, so gut, dachte John Frith, als er nach einer Reise ohne jeden Zwischenfall vor der Küste von Essex von Bord ging. Er winkte ein kleines Frachtboot herbei, das ihn nach Reading bringen sollte. Seine erste Aufgabe bestand darin, den Prior der dortigen Abtei aufzusuchen, der schon seit Jahren als Mittelsmann fungierte. Er hatte sowohl Geld als auch Informationen weitergeleitet, beides Dinge, auf die sie in Antwerpen dringend angewiesen waren. Die Übersetzer hatten sogar ihre Wintermäntel verkauft, um den letzten Druck bezahlen zu können, und hofften jetzt darauf, dass Johns Reise sowohl ihre Finanzen wie auch ihre Garderobe wieder in Ordnung bringen würde.
So Gott will, kann ich in der Abtei ein Bad nehmen und mich rasieren, dachte er, als er sich den Schweiß von der Stirn wischte und sich den zerzausten Bart kratzte. Er hatte sich diesen Bart stehen lassen, damit ihn die Spione und die Kanalwachen, die überall an den Küsten postiert waren, nicht erkannten. Vielleicht würde ihm der Prior ja sogar sagen, dass sich die Stimmung in England zwischenzeitlich so verbessert hatte, dass eine Verkleidung unnötig geworden war.
Die Fahrt nach Reading erinnerte ihn daran, dass er hier Kate zum ersten Mal begegnet war. Es war in einem jener Häuser gewesen, die es mittlerweile in fast allen englischen Städten gab. Dort wurde das Wort Gottes gelesen, und die Bewohner riskierten alles, um die Reformbewegung zu unterstützen. Es war auch damals ein heißer Tag gewesen, aber Kate hatte einen schweren Männermantel und eine Hose getragen. Doch schon da, als er sie noch für einen Mann gehalten hatte und er selbst von der Tortur im Fischkeller noch sehr geschwächt war, hatte er sie seltsam anziehend gefunden.
Sie hatten später beide darüber gelacht, nachdem sie ihm voller Scham erzählt hatte, dass ihr Bruder abgeschworen habe und sie entschlossen sei, seinen Platz einzunehmen und verbotene Bücher in England zu verbreiten. Er hatte einen Scherz darüber gemacht und gesagt, dass er sich schon gefragt habe, ob er wie viele der Mönche verbotene Verbindungen suche, um sein fleischliches Verlangen zu stillen. In Wahrheit war ihm dieser Gedanke keineswegs gekommen. Er hatte nur deshalb darüber gescherzt, damit sie sich nicht länger schämte, weil ihr Bruder widerrufen hatte.
Er hoffte inständig, dass er ihr niemals eine solche Schande bereiten würde. Aber wie sollte ein Mann wissen, ob er den Mut hatte, die Folter durchzustehen und seine Ehre zu retten – vor allem, wenn er auf eine Frau und ein Kind Rücksicht nehmen musste. Vor dieser Entscheidung hatte Kates Bruder gestanden, der arme Mann. John fühlte plötzlich eine geistige Verwandtschaft mit ihm. Falls ihn seine Reise zufällig in die Nähe von Gloucestershire führte, würde er ihn besuchen.
Als sie Reading erreichten, lag der größere Teil des Flusses
Weitere Kostenlose Bücher