Die englische Ketzerin: Roman (German Edition)
bereits im abendlichen Schatten. Er wartete, bis das Frachtboot am Kai angelegt hatte, dann ging er von Bord. Auf dem Kai stand eine Gruppe von Betrunkenen, die miteinander stritten.
»An Eurer Stelle würde ich mich von denen fernhalten«, riet ihm der Bootsführer.
»Ich werde Euren Rat beherzigen, guter Mann«, sagte John, und suchte sich einen Weg zwischen den Fässern hindurch, die in der Mitte des Bootes aufgestapelt waren. Er griff in seine kleine Börse, die an seinem Gürtel festgebunden war, und gab dem Mann seine letzte Münze als Trinkgeld.
»Ich bin niemand, der einem Mann den letzten Farthing nimmt«, sagte der Bootsführer und betrachtete Johns leere Börse. »Ich nehme an, dass Ihr das für Euer Abendessen brauchen werdet.«
»Ich werde in der Abtei ein Abendessen bekommen. Ich habe Freunde dort«, sagte er und drückte dem Bootsführer die Münze in die schwielige Hand.
Der Streit der Trunkenbolde auf dem Kai war jetzt in eine handfeste Schlägerei ausgeartet.
»Jemand sollte den Constable rufen.«
»Ich glaube, das ist schon geschehen«, sagte John und wies mit einem Kopfnicken auf die beiden Männer, die mit gezückten Kurzschwertern entschlossen auf die Raufbolde zuliefen.
Als John über den Steg ging, waren die Trunkenbolde bereits mit hinter dem Rücken gefesselten Händen aneinandergekettet. Wahrscheinlich werden sie wegen Trunkenheit und Ruhestörung die Nacht im Keller des Richters zubringen, dachte er. Das Einzige, womit sie am Morgen rechnen mussten, waren heftige Kopfschmerzen und ein paar wütende Ehefrauen.
»He! Ihr dort, halt.«
John sah sich um, um festzustellen, wen der Mann meinte, und bemerkte, dass er außer den Schlägern der Einzige auf dem Kai war. Das Boot hatte bereits wieder abgelegt. Vielleicht sollte er so tun, als hätte er nichts gehört, und einfach weitergehen. Wahrscheinlich wollten die Männer ihn nur als Zeugen der Schlägerei befragen.
»Halt, im Namen des Gesetzes!«
John blieb seufzend stehen, stellte seine kleine Reisetasche ab und drehte sich zu den Männern um. Einer der betrunkenen Rüpel grinste ihn dämlich an. Das fängt ja gut an, dachte John.
»Wolltet Ihr mit mir sprechen? Ich bin im selben Moment hier eingetroffen wie Ihr. Ich versichere Euch, ich weiß nicht, wie es zu der Schlägerei gekommen ist.«
»Ihr seht aus, als wärt Ihr fremd hier. Ich kann mich nicht erinnern, Euch in dieser Grafschaft schon einmal gesehen zu haben.«
»Ich bin ein Freund des Abtes.«
»Nun, verzeiht, dass ich das sage, aber wie ein Freund des Abtes seht Ihr nicht unbedingt aus. Die Freunde des Priors sind normalerweise wesentlich eleganter gekleidet als Ihr.«
»Oh, ich komme von weit her. Ich bin Kaufmann. Ein Kaufmann der Hanse. Ich bin Mitglied des Londoner Steelyard.«
Dies schien die Ordnungshüter durchaus zu beeindrucken.
»Hier, ich habe Papiere, die das beweisen.« Er zeigte auf die Reisetasche zu seinen Füßen. »Darf ich?«
Der Constable nickte. John griff in die kleine Tasche, suchte in seiner schmutzigen Wäsche – er hatte nur das Nötigste mitgenommen –, sah sogar in seinem Gedichtband von Homer nach. Nichts. Er schüttelte das Buch, aber es fiel nur ein Haarband von Kate heraus, das er als Lesezeichen verwendete.
Dann fiel es ihm plötzlich wieder ein.
Er hatte die gefälschten Papiere in seine Disputation des Fegefeuers gelegt, da er hoffte, weiter daran arbeiten zu können. Dann war ihm der Gedanke gekommen, dass das Buch, falls man ihn durchsuchte, ein zu belastender Beweis wäre. Er hatte die Papiere zusammen mit dem Buch liegen gelassen.
Der grinsende Rüpel hatte seine Sprache wiedergefunden.
»Wenn er ein Freund vom Prior ist, dann bin ich der Beschützer einer dicken Hure«, nuschelte er.
»Du bist der Beschützer einer dicken Hure«, erwiderte einer seiner Kumpane kichernd. »Ich hatte deine Frau.«
»Hurensohn, ich schneide dir den Schwanz ab und werf ihn vor deinen Augen den Krähen zum Fraß vor, ich …«
»Du hältst jetzt besser dein dreckiges Maul, sonst sorge ich dafür, dass du es nie wieder aufmachst«, ging der Constable dazwischen und stieß den Mann mit der Spitze seines Schwerts leicht in die Seite, um seinen Worten Nachdruck zu verleihen. Dann wies er mit einem Kopfnicken in Johns Richtung. »Und den hier nehmen wir am besten auch gleich mit. Der Richter wird ohnehin verärgert sein, dass man ihn beim Abendessen stört. Da können wir ihm genauso gut noch diesen Vagabunden vorführen, dann lohnt es sich
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