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Die englische Ketzerin: Roman (German Edition)

Die englische Ketzerin: Roman (German Edition)

Titel: Die englische Ketzerin: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brenda Vantrease
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dass er schon völlig zerknittert war. Es war ihm gelungen, ihr mit demselben Boten eine Antwort zu schicken, in der er sie bat, Tyndale zu sagen, dass man im Antwerpener Kontor ein geheimes Konto eingerichtet habe, auf das sie jederzeit zugreifen könnten. Falls sie irgendetwas brauchen sollte, würde Tyndale es für sie beschaffen. Er hatte ihr versichert, dass er schon bald nach Hause kommen würde, und schrieb, wie freudig er überall empfangen wurde. Dass er immer wieder das Gefühl hatte, verfolgt zu werden, und dass man ihn in Reading in den Stock gesperrt hatte, schrieb er ihr jedoch nicht.
    Die Gemeinde von Chelmsford war bislang die größte, vor der er gesprochen hatte. Jetzt war er froh, dass sich die Versammlung langsam dem Ende zuneigte. Er war erschöpft. Während des Abschlusssegens überlegte er, ob er nach einem Stall in der Nähe fragen sollte, wo er übernachten könnte – er wollte die Familien, in deren Häusern er predigte, nicht in Gefahr bringen. Das letzte Amen war jedoch kaum gesprochen, als ein Mann auf ihn zutrat.
    »Vater, kann ich Euch kurz sprechen?«
    Der Mann, der von ziemlich kleiner Statur war, streckte ihm voller Aufrichtigkeit die Hand entgegen.
    John ergriff die dargebotene Hand mit so viel Energie, wie er noch aufbieten konnte.
    »Bitte, nennt mich Bruder oder einfach nur J … Jacob. Wie unser Herr uns lehrt, gibt es nur einen, der würdig ist, ›Vater‹ genannt zu werden. Und Euer Name ist?«
    »William. William Holt. Ich bin Schneider und komme aus Epping.«
    »Ah, ja. Dort habe ich Euch also gesehen. Ich dachte mir gleich, dass Ihr mir bekannt vorkommt.«
    »Ja. Ich habe Euch auch in Epping predigen gehört. Ihr habt über die Eucharistie gesprochen. Ich war zutiefst bewegt, als Ihr sagtet, dass das Wunder der Verwandlung des Herzens das Wichtigste sei und nicht die wahre Gegenwart des Leibes Christi … so wie Ihr es beschrieben habt, ergab das für mich einen Sinn. Ich habe versucht, mir das alles gut einzuprägen, damit ich es meinem Freund erzählen kann, aber ich finde einfach nicht die richtigen Worte.«
    »Nun, das ist nicht so schwer zu verstehen – sagt Eurem Freund einfach …«
    »Hier. Könntet Ihr es vielleicht aufschreiben? Die Kernpunkte Eurer Predigt in Epping?«
    Der Schneider zog von irgendwoher ein Stück Papier und ein kleines Tintenfass hervor, wie es ein fahrender Schreiber benutzen mochte, und hielt John beides hin.
    John zögerte nur kurz. Tyndale hatte ihn ausdrücklich davor gewarnt, sich schriftlich zur Doktrin der Eucharistie zu äußern. Dieses Thema sei nämlich mehr als alles andere dazu geeignet, nicht nur den Zorn des Klerus, sondern auch des Königs zu erregen.
    »Ich würde Euch nicht darum bitten, wenn ich mich besser ausdrücken könnte. Aus Eurem Mund klingt alles so einleuchtend. Aber wenn ich es sage … und außerdem kann ich mich schon jetzt nicht mehr an Euer zweites Argument erinnern.«
    John nahm das Papier und schrieb eine vereinfachte Darstellung der Doktrin der Eucharistie nieder, mit der er die Grundlage der Heiligen Messe in Frage stellte. Er führte dabei die drei Argumente auf, über die er in Epping gepredigt hatte.
    »Danke, Sir. Vielen Dank. Jetzt kann ich meinen Freund von der Unrichtigkeit seiner Meinung überzeugen«, sagte der Mann mit einem Blick auf das Papier. »Oh. Noch etwas. Würdet Ihr bitte noch unterschreiben?« Er lächelte entschuldigend. »Damit er sieht, dass ich mir das alles nicht nur ausgedacht habe.«
    Ohne weiter nachzudenken, setzte John seinen Namen unter das Schriftstück.
    Der Schneider warf einen kurzen Blick darauf, dann faltete er das Blatt Papier lächelnd zusammen und steckte es in seine Tasche, bevor er John noch einmal die Hand gab und sie herzlich schüttelte.
    Erst als er William Holt hinterhersah, wurde John bewusst, dass er mit seinem richtigen Namen unterschrieben hatte. Er wollte den Schneider noch einmal zu sich rufen. Aber was sollte er ihm sagen? Wenn er das Papier zurückforderte, würde er den Mann nicht nur beleidigen, sondern auch unnötige Aufmerksamkeit darauf lenken. Abgesehen davon schien der Schneider ein redlicher Mann zu sein. Und selbst wenn seine Feinde das Schriftstück in die Hände bekamen, was spielte das schon für eine Rolle? Sollten sie es doch einfach dem stetig wachsenden Stapel seiner ketzerischen Schriften hinzufügen. In zwei Tagen würde er in Southend sein, und noch bevor es Sonntag war, würde er wieder in Sicherheit sein und in Kates Armen

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