Die englische Ketzerin: Roman (German Edition)
hätte er ihn nämlich bereits in Ketten gelegt und öffentlich der Ketzerei angeklagt. Ich habe einen Agenten auf dem Kontinent. Einen Mann namens Stephen Vaughan. Ein guter Mann. Er wird Master Tyndale ausfindig machen und auch diesen …«
»Frith«, sagte sie. »John Frith.«
»Macht Euch keine Gedanken wegen Sir Thomas«, fügte er hinzu. »Ich verfolge einen anderen Plan, um ihn doch noch umzustimmen.«
»Einen anderen Plan?«
»Ich beabsichtige, ihn an Wolseys Stelle zum Kanzler zu machen. Auf diese Weise werde ich ihn schließlich doch für unsere Sache gewinnen.«
Ihr Mut sank. Es gab in ganz England niemanden, der ihrer Sache und ihrer Person mit größerer Ablehnung gegenüberstand als Sir Thomas More. Er war Königin Katherines größter Fürsprecher und dem alten Glauben treuer ergeben als jeder Kirchenmann. Sie war überzeugt davon, dass es nicht so leicht gelingen würde, Sir Thomas More für ihre Sache zu gewinnen.
Heinrich hielt auf dem Weg durch die frostigen Hecken inne und zog sie an sich.
»Jetzt, Mylady, gebt Eurem König einen Kuss, einen keuschen Kuss auf die Lippen, denn wir müssen geduldig sein, wenn wir England einen legalen Erben schenken wollen.«
Anne wusste nicht, ob sie über diesen plötzlichen Sinneswandel erleichtert oder enttäuscht sein sollte, als sie ihr Gesicht hob und mit ihren Lippen die des Königs berührte.
16
[D]er Klerus macht sie weder zu Häretikern, noch verbrennt er sie …. der Klerus zeigt sie an. Es sind die weltlichen Behörden, die sie verbrennen, so wie sie es verdient haben. Und nach dem Feuer von Smithfield empfängt die Hölle sie, wo die Elenden für immer brennen.
Sir Thomas More über das Verbrennen von Ketzern.
Z uerst erkannte Kate die Frau nicht, die sie im Quartier des Kapitäns bei Tisch bediente. Das Quartier war kaum mehr als ein Kämmerchen unter dem Achterdeck, vollgestopft mit verschiedenen Karten und Instrumenten. Kate kannte nur den Sextanten, denn sie hatte einmal das Bild eines solchen Gerätes in einem Buch gesehen, das ihr Bruder gedruckt hatte. Obwohl die Frau, die sie bediente, sie unter gesenkten Lidern hervor zu beobachten schien, sagte sie kein Wort, als sie die leere Suppenschüssel abtrug und stattdessen eine Platte mit gebratenem Kapaun und knusprigem Brot auf den Tisch stellte.
»Die Lauchsuppe war köstlich, richtig schön heiß! Wie ist Euch das nur gelungen?«, fragte Kate.
Die Frau bekundete ihr mit einem Nicken ihren Dank, antwortete ihr aber nicht, sondern wandte ihnen den Rücken zu, während sie in dem kleinen Raum aufräumte. Kate fragte sich, ob die Frau vielleicht aus einem fremden Land kam und ihre Sprache nicht verstand.
»Im Bug ist eine Feuerbuchse, die einen ganz passablen Ofen abgibt. So ähnlich wie ein Kohlenbecken, mit dem man ein Zimmer beheizt, nur größer«, erklärte Tom Lasser. »Endor vollbringt damit wahre Wunder, was meiner Mannschaft und mir sehr zugutekommt.« Er gab etwas von sich, das halb ein Lachen, halb ein Ächzen war. »Meine Männer haben fast gemeutert, als ich sie an Bord brachte. Aber nachdem sie ein paar Tage für sie gekocht hatte, entschieden sie, dass eine Frau an Bord doch besser ist, als ständig nur trockenen Schiffszwieback zu essen.«
»Das kann ich durchaus verstehen«, sagte John, als er mit seinem Messer ein Stück von dem Kapaun abschnitt und es Kate auf den Teller legte. »Es ist überaus großzügig von Euch, Kapitän, uns Euer Quartier zu überlassen.«
Kapitän Lasser schien sich kaum für das Essen zu interessieren. Kate wünschte sich, er ließe sie endlich allein. Die lange Fahrt in dem kleinen Beiboot hatte sie erschöpft. Sie hatte die ganze Zeit auf dem schwankenden Koffer gesessen, den Lady Walsh dem sich sträubenden Kapitän aufgenötigt hatte, und sich gefragt, ob man sie tatsächlich zu dem Schiff bringen oder sie verraten würde. John jedoch schien mit alledem gut fertigzuwerden.
Er spießte einen weiteren Happen auf und legte ihn auf seinen Teller.
»Ich habe nicht gedacht … ich meine, ich bin einfach davon ausgegangen, dass Ihr eine Kabine für Passagiere habt.«
»Dies hier ist ein Handelsschiff, Master Frith«, erwiderte der Kapitän schroff. »Und was meine ›Großzügigkeit‹ angeht, nun, was bleibt mir denn schon anderes übrig? Ihr und Eure schöne Frau könnt schließlich nicht im Mannschaftsquartier schlafen.«
Er schob abrupt den Stuhl zurück. »Endor wird dafür sorgen, dass es Euch an nichts fehlt«, sagte er. Die Frau
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