Die englische Rebellin: Historischer Roman (German Edition)
Seele Frieden.« Ida bekreuzigte sich. Maries Tochter stolperte über den Saum ihres Kittels, fiel hin und begann zu weinen. Marie beeilte sich, sie aufzuheben und zu trösten.
Mahelt betrachtete den schützenden Ring, den die Frauen um ihre Kinder bildeten – sowohl um die geborenen als auch um die ungeborenen – und fragte sich, wie sicher sie wirklich waren. König Johns Gefangennahme von Maude de Braose und ihrem Sohn hatte mit einem kaltblütigen Mord geendet. Jeder war über die Einzelheiten entsetzt gewesen, die nach und nach ans Licht gekommen waren. John hatte Maude und ihren Sohn von Windsor nach Corfe gebracht, dort in ein Verlies geworfen und sie bei Kälte und Dunkelheit langsam verrotten lassen. Gerüchte besagten, dass Maude sich vom Fleisch ihres toten Sohnes ernährt hatte, bevor sie selbst zugrunde gegangen war. Die Nachrichten hatten Ida körperlich krank gemacht und jeden Bewohner Framlinghams in Angst und Schrecken
versetzt. Wie konnte so ein Mann auf dem Königsthron sitzen? Es war schon gemunkelt worden, dass er seinen eigenen Neffen ermordet hatte, und nach dem Tod von Maude de Braose wuchs das Unbehagen in der Bevölkerung. Er war ein exkommunizierter König, ein Mann, der aus dem Schoß der Kirche verstoßen worden war. Rom hatte die englischen Barone von ihrem Treueeid ihm gegenüber entbunden. Jede neue Information, die durchsickerte, glich harten Regentropfen, die in einen Teich fielen und dort kreisförmige kleine Wellen auslösten, ohne jedoch größeres Unheil anzurichten. Doch eines Tages musste der Teich über die Ufer treten und die Umgebung mit einer schmutzigen Flut überschwemmen, weil ein Tropfen zu viel in das Wasser gefallen war.
De Braose war geflohen und hatte in Frankreich Zuflucht gesucht, und König Philip drohte England nun mit einer Invasion, obwohl es bislang bei der Drohung geblieben war. In Framlingham hielt sich Earl Roger bedeckt und ließ sich nur in politische Angelegenheiten verstricken, wenn es unumgänglich war, wie zum Beispiel bei dem Befehl, seine Truppen in Nottingham zu versammeln. Mahelts Vater verfolgte in Irland eine ähnliche Strategie. Er verfügte dort über einigen Einfluss, war aber einen Ozean von ihr entfernt und überdies mit dem Bau seines neuen Hafens am Barrow beschäftigt. Doch wie lange konnte man den Kopf in den Sand stecken, fragte Mahelt sich. Wenn man der Gefahr nicht ins Auge blickte, traf einen vielleicht schon bald gleichfalls der vernichtende Schlag.
Hugh hob seinen Sohn auf den Rücken des mutwilligen, schwarz-weißen Ponys, das er Mahelt geschenkt hatte und das nun das erste Reittier ihres Erben war. Roger lachte und schlug mit seinen kleinen Händen auf den Widerrist des Ponys. Pie schrak zusammen und schlug mit seinem bodenlangen
Schweif, beruhigte sich aber sofort wieder, als Hugh ihm ein Stück Brot hinhielt.
»Er ist ein Gierhals«, sagte Roger. Er hatte das Wort einigen älteren Jungen abgelauscht, die einen Kameraden damit geneckt hatten, und es sich sofort eingeprägt, weil es ihm so gut gefiel. »Ein Gierhals, ein Gierhals!«
»So wie du«, stellte Hugh grinsend fest.
»Ich nicht!« Rogers haselnussbraune Augen flammten empört auf.
»Dein Großvater Marshal trug als Junge diesen Spitznamen.« Hugh musterte das Kind belustigt. Sein Sohn war ein Energiebündel und von früh bis spät unaufhörlich auf den Beinen, sodass Hugh manchmal Mühe hatte, mit ihm mitzuhalten. In dieser Beziehung war er das Ebenbild seiner Mutter.
»Hopp«, sagte Ranulf zu seinem Sohn, der ein Jahr älter war als Roger, und hievte ihn gleichfalls auf Pies Rücken. Hugh griff nach den Zügeln, löste sie von dem Ring in der Stallwand und führte das Tier in den Hof hinaus, wobei er die Jungen immer im Auge behielt, um sicherzugehen, dass sie nicht herunterfielen.
»Wenigstens müssen wir nicht nach Poitou«, meinte er zu dem neben ihm hergehenden Ranulf, dabei wanderte sein Blick zu den gemieteten Karren, die Soldaten und Diener mit Vorräten und Ausrüstungsgegenständen beluden. »Ich war überzeugt, dass ich dort meiner militärischen Verpflichtung nachkommen muss.«
Ranulf legte seinem Sohn eine Hand auf das Bein, um ihn am Auf- und Abhüpfen zu hindern.
»Du sagst das, als würdest du glauben, Wales wäre besser.« Er verzog das Gesicht. »Da regnet es ständig, und die Wälder dort sind nichts als Fallen für Hinterhalte.«
»Aber wir müssen nicht tage- und wochenlang Burgen belagern,
wir sind näher an unserer Heimat,
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