Die englische Rebellin: Historischer Roman (German Edition)
und rekrutierten Soldaten.
Mahelt wusste, dass sich Hugh dem Militärdienst nicht entziehen konnte, er war eine mit seiner Position verbundene Pflicht, aber es missfiel ihr, den größten Teil des Sommers von ihm getrennt zu sein, und noch mehr verdross es sie, dass er diese Zeit ausgerechnet in Johns Gesellschaft verbringen musste. Sie wusste, was sie zu erwarten hatte. Während ihrer Kindheit hatte ihr Vater seine Familie stets im späten Frühjahr verlassen und war erst zurückgekommen, wenn die Nächte lang, dunkel und kalt waren.
Nachdem sie die erste Weise beendet hatte, experimentierte sie mit Tönen, die sie ihre Mutter auf der irischen Harfe hatte spielen hören, und sang dann ein Lied aus Leinster, das sie als Mädchen gelernt hatte, dessen Bedeutung sie aber nicht kannte. Sie wusste nur, dass es eine Zeitspanne im Leben einer Frau beschrieb. Es war ein zu Herzen gehendes, trauriges Stück, und die unbekannten Worte rührten sie jedes Mal zutiefst. Sie hatte es vor kurzem erneut gehört, als sie ihre Mutter anlässlich von Wills Verlobung mit Alais de Béthune besucht hatte. Die Hochzeit des Paares sollte später im Jahr gefeiert werden. Mahelt hatte sich für das Mädchen nicht recht erwärmen können. Alais war in Gesellschaft mürrisch und wortkarg, was sich aber im Umgang mit Will schlagartig änderte, und er schien gleichfalls sehr von ihr angetan zu sein. Auf irgendeine seltsame Weise schien es Alais zu gelingen, die Wunden in Wills Seele zu heilen und zu bewirken, dass er aufgeschlossener und zugänglicher wurde, daher war Mahelt zu einigen Zugeständnissen bereit.
Als die letzten Töne und Worte verklangen, fiel ihr auf, dass Ida schniefte und die Augen mit dem Ärmel ihres Gewandes betupfte.
»Mutter?« Erschrocken legte sie die Laute weg. Ida hatte sich von ihrer Krankheit im letzten Winter gut erholt, war aber sehr zerbrechlich geblieben und weinte häufig.
»Diese Musik«, schniefte Ida. »Sie ist so traurig.«
»Es tut mir leid, ich hätte das Lied nicht singen sollen.«
»Nein, nein, es ist zugleich auch sehr schön. Ich bin froh, dass ich es gehört habe.«
»Ich weiß nicht, worum genau es darin geht, nur dass es von einer Frau handelt, die über ihr Leben nachdenkt.«
»Es klingt auch wie das Lied einer Frau.« Ida beugte sich wieder über ihre Näharbeit, musste aber innehalten, als Tränen auf den Stoff fielen.
»Meine Söhne«, stieß sie mit vor Kummer erstickter Stimme hervor. »Ich habe sie unter Schmerzen geboren. Ich habe sie gebadet, umsorgt, über sie gewacht und Verletzungen mit Liebe und Salbe geheilt. Jetzt ziehen sie immer wieder in den Krieg. Ihr Vater hat so viele Monate im Dienst des Königs verbracht, dass unsere guten Jahre darüber fast unbemerkt verstrichen sind. Jetzt bleibt uns nur noch langjährige vertraute Gewohnheit; wir sind wie zwei Steine, die sich gegeneinanderreiben, wobei der härtere den weicheren langsam zu Staub zermahlt. Ich sehe, wie meine Jungen ihre Frauen und Kinder verlassen – mich verlassen –, und das ganze Muster wiederholt sich.« Sie richtete ihren tränenfeuchten Blick auf Mahelt. »Das Erste, was ein Mann über seinen neugeborenen Sohn wissen will, ist: Wird er ein guter Soldat werden? Wird er einmal stark und tapfer sein? Nie fragen sie: Wird er ein guter Ehemann und Vater werden? Und wir Mütter stellen diese Frage auch nie. Und das stimmt mich traurig.«
»Wenn unsere Söhne keine Mönche werden, werden sie nun einmal Soldaten«, erwiderte Mahelt sachlich. »Es ist ihre Bestimmung im Leben. Und ich würde als Erstes fragen: Wird mein Sohn ein Ehrenmann werden? Wird er charakterfest und prinzipientreu bleiben? Wir sollten ändern, was wir ändern können, und das Beste aus dem machen, das wir nicht zu ändern vermögen.«
Ida wischte sich erneut über die Augen und rang sich ein Lächeln ab. »Das klingt, als käme es aus dem Mund deines großartigen Vaters.«
Mahelt errötete.
»Das wurde uns allen von der Wiege an eingeschärft.« Sie lachte schuldbewusst. »Nur bin ich leider zu ungeduldig, ich will immer alles ändern.«
»Geduld kommt mit dem Alter«, sagte Ida. »Lass sie nur nicht wie bei mir in Resignation umschlagen.« Sie blickte zum offenen Fenster hinüber. Die ersten Schwalben schossen über den Himmel hinweg. »Ich werde jeden Tag für meine Söhne beten und Gott anflehen, dass sie gesund und unversehrt zu mir zurückkehren. Aber manchmal frage ich mich, ob Gott meine Gebete überhaupt hört.«
»Das
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