Die Entdeckung der Erde
Atlantischen Ocean. Eine solche Fahrt von nahe 2000 Meilen durch unbekannte Gebiete, ohne Führer, ohne Boussole und ohne Vorrath an Lebensmitteln, mit einer Mannschaft, welche wiederholt über dieses tolle Unternehmen ihres Hauptmanns zu murren anfing, und mitten durch eine fast allenthalben feindselig auftretende Bevölkerung, ist gewiß eine wunderbare zu nennen. Von der Mündung des Stromes aus, den er mit seiner mangelhaft construirten und halbzerfallenen Barke hinabgefahren war, gelang es Orellana noch, die Insel Cabragua zu erreichen, von welcher er nach Spanien abreiste.
Wenn das Sprichwort: »Der hat gut lügen, der aus weiter Ferne kommt«, noch nicht erfunden gewesen wäre, Orellana hätte dazu Veranlassung gegeben. Er verbreitete in der That die ungereimtesten Fabeln von den Schätzen des von ihm durchreisten Landes. Die Einwohner desselben sollten so reich sein, daß die ganzen Tempeldächer nur aus massiven Goldplatten beständen, eine Versicherung, welche zur Entstehung der Legende von El Dorado Veranlassung gab. Orellana wollte auch von der Existenz einer Republik kriegerischer Frauen gehört haben, was dem Marañon den Namen »Amazonen-Strom« erwarb. Entkleidet man diese Berichte indeß alles Lächerlichen und Grotesken, dem für die Phantasie der Zeitgenossen berechneten Beiwerke, so bleibt doch das eine bestehen, daß Orellana’s Zug eine der merkwürdigsten Expeditionen jener an gigantischen Unternehmungen so überreichen Periode darstellt, und daß eben dieser die erste Nachricht von der unendlichen Ausdehnung des Landes zwischen den Anden und dem Atlantischen Ocean lieferte.
Kehren wir jedoch zu Gonzalo Pizarro zurück. Seine Verlegenheit und Verwunderung mögen nicht gering gewesen sein, als er selbst an den Zusammenfluß des Napo und Marañon kam, ohne Orellana zu finden, der ihn hier erwarten sollte. In der Befürchtung, daß seinem Lieutenant ein Unfall zugestoßen sei, marschirte er fünfzig Meilen weit längs des Stromes hinunter, bis er einen unglücklichen Officier antraf, der als Strafe für den Einspruch gegen die Perfidie seines Chefs hier ausgesetzt worden war. Bei der Nachricht von der elenden Verlassenheit und Entblößung, in der sie sich befanden, verloren auch die Kühnsten den Muth. Pizarro mußte ihren Vorstellungen nachgeben und nach Quito umkehren, von wo man übrigens mehr als zwölfhundert Meilen entfernt war. Zur Kennzeichnung der Entbehrungen bei diesem Marsche genüge die Bemerkung, daß nach Aufzehrung von Pferden und Hunden, Wurzeln und wilden Thieren, und nachdem sie sogar ihr gesammtes Lederzeug zerkaut, nur achtzig Ueberlebende vom Buschwerk zerrissen, blaß und abgemagert nach Quito wirklich zurückkamen. Viertausend Indianer und zweihundertzehn Spanier hatten bei diesem Zug, der nicht weniger als zwei volle Jahre dauerte, das Leben eingebüßt.
Während Gonzalo Pizarro diese unglückselige Expedition führte, über welche wir eben berichteten, schaarten sich die alten Parteigänger Almagro’s, welche sich niemals ganz und voll an Pizarro anzuschließen vermochten, um den Sohn ihres früheren Chefs und faßten den Beschluß, den Marquis zu ermorden. Vergeblich ward Franz Pizarro wiederholt gewarnt, doch niemals wollte er solchen Nachrichten Glauben schenken und sagte stets: »Seid nur ruhig, ich bin sicher genug, daß es in ganz Peru Niemand giebt, der nicht wüßte, daß ich die Macht habe, ihm in dem Augenblicke das Leben zu nehmen, wo er es wagen sollte, nach dem meinigen zu trachten.«
Am Sonntag dem 26. Juni 1531, zur Zeit der Siesta, traten Jean de Herrada und achtzehn Verschworene aus dem Hause Almagro’s, den Degen in der Faust und von Kopf bis zu den Füßen bewaffnet. Sie stürzen sich mit dem Rufe: »Tod dem Tyrannen! Tod dem Verräther!« auf das Haus Pizarro’s, stürmen den Palast, tödten Franz de Chaves, der auf den Lärm hin herbeilief, und dringen in den Saal, in dem sich mit Franz Pizarro, dessen Bruder Franz Martin, der Doctor Juan Velasquez und ein Dutzend Diener aufhielten. Diese retten sich mit Ausnahme Martin Pizarro’s durch die Fenster, während zwei Edelleute und mehrere Diener bei der Vertheidigung des Zugangs zu den Gemächern des Gouverneurs fallen. Dieser selbst ergreift, da ihm die Zeit fehlte, erst einen Panzer anzulegen, den Degen und ein Schild, wehrt sich tapfer und tödtet vier Gegner, während viele Andere Wunden davontragen. »Trotzdem, sagt Zarate, erreichten sie ihre Absicht und ermordeten ihn durch einen Stich in
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