Die Entdeckung der Langsamkeit
sein Leben riskierte, lachen.
Gilfillan atmete wieder. So, und was weiter?
Mit dem Boot zur Dorothea ? Purer
Selbstmord. Nein, auf und davon, so lange es noch geht, so schrien sie. Aber
John Franklin kannte seine eigenen Merksätze. »Niemals sich schämen müssen wie
Kapitän Palmer.« Fünfzehn Jahre war das her. Und die Bridgewater war damals alsbald spurlos verschwunden, kein Ãberlebender. Die Gerechtigkeit
der See war grauenhaft, und man muÃte mit ihr rechnen.
Es kamen Fragen, immer mehr, immer dringlicher. Franklin dachte nach
und gab keine Antwort. Die daherjagenden Seen waren nicht einfach nur Seen: sie
enthielten Eistrümmer, groà wie Barkassen, sie schlugen das Schiff quer zur
Sturmrichtung. Bald war klar: wenn die Trent noch
wegkam, war es ein Wunder. Und an Wunder glaubte John nicht, das war etwas für
Kinder.
Die Situation war da, sogar Beechey wurde nervös: mit dem langsamen
Kapitän scheiterte das ganze Schiff. Aber warum blieb Franklin so ruhig? Was
glaubte er eigentlich? Warum starrte er zur Küste, was suchte er mit dem Glas?
»Da!« rief John. »Da müssen wir hinein, Mr. Beechey!«
Was meinte er? Ins Packeis? Freiwillig?
»Genau das!« John faÃte Beechey an den Schultern und hielt ihn fest:
»Logik!« brüllte er gegen den Sturm an. »Logik! Im festen Eis sind wir sicher.
Die einzige Lösung!«
Da öffnete sich wirklich eine Einfahrt, ein Fjord, kaum breiter als
das Schiff. Das hatte der Kommandant gesehen, so viel Ruhe hatte der noch. Aber
jetzt hieà es hineinkommen. Davon konnte natürlich nicht die Rede sein. Zwei
Schiffslängen vor der Einfahrt zerschlug ein riesiger Eisblock das Ruder, und
direkt am Ziel drehte ein schwerer Brecher die Trent quer zur See. Sofort darauf krachte schon die Steuerbordseite ins massive
Packeis. Alle Männer purzelten hin, keiner konnte sich festhalten, es war, als
zöge man unter ihnen einen Teppich weg. Dazu ein furchtbarer Laut, ein
Totensignal: die Schiffsglocke schlug an. John krallte sich wieder empor,
zeigte zum Vortopp hinauf und rief: »Nehmt die Reffs heraus!«
Alle sahen ihn an, als bemerkten sie erste Anzeichen einer Geisteskrankheit.
Die nächste See donnerte daher und schlug das Schiff erneut in die Wand wie ein
Ei in die Pfanne. Die Masten bogen sich, als seien sie Pflanzenstengel. Und da
sollte nun einer aufentern und â was hatte er gemeint? â »die Reffs
herausnehmen«? Die Schiffsglocke läutete wie besessen. Natürlich tat sie das!
Es war ja auch alles zu Ende! Die würde nicht aufhören, bevor sie tot waren.
Die Männer krampften sich fest, keiner rührte sich mehr. Die nächste See,
dasselbe Spiel. Dieses Schiff war verloren.
John Franklin erschien immer sonderbarer. Jetzt griff er mit der
rechten Hand zur linken Schulter, packte zu und rià mit aller Kraft daran.
Wollte er sich degradieren oder gar in zwei Stücke reiÃen? Jedenfalls war er verrückt
geworden, hier der Beweis! Gilbert fluchte, Kirby betete, alle beteten. Ob
Kirby noch einmal von Mädchen sprechen würde?
Franklin hatte sich den Ãrmel von der Uniformjacke gerissen,
krabbelte zur Schiffsglocke und sagte zwischen zwei Sturmschlägen zum Ersten
Offizier: »Mr. Beechey, seien Sie bitte so gut und lassen Sie auf dem Vormast
die Reffs herausnehmen.« Dann schlang er das dicke Uniformtuch um den Klöppel
der Glocke, machte einen Knoten und zog so fest zu wie einer, der einen
Elefanten erdrosseln wollte. »Jetzt ist Ruhe!« sagte er zufrieden, als sei der
Sturm gleich mitgeknebelt. Und mit einem Male fühlten alle wieder so etwas wie
Sicherheit. Die Tapfersten wagten sich in den Vortopp und nahmen die Reffs
heraus. Sie sahen von oben, was John wuÃte: der Bug der Trent ragte ein Stückchen in die Einfahrt, mit Vollzeug am Vormast konnte es gelingen,
sie hineinzuschmuggeln, wenn sie zwischen zwei Brechern von der Eismauer
wegschwojte. Andere nahmen auf dem GroÃmast das verbliebene Tuch weg, keiner
verlor den Halt. Und als die See zurückwich, um wieder einen furchtbaren Anlauf
zu nehmen, bog sich die Trent auch ohne Ruder hübsch
folgsam herum und schlüpfte dem Sturm davon. Er trieb sie ins Eisgebirge
hinein, warf noch einige Trümmer gegen ihr splitterndes Heck und rià die Segel
in Fetzen. Mit lautem Knirschen verkeilte sich der Bug zwischen den gläsernen
Wänden und bià sich immer weiter fort. SchlieÃlich lag
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