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Die Entdeckung des Himmels

Die Entdeckung des Himmels

Titel: Die Entdeckung des Himmels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harry Mulisch
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Entdeckung war besiegelt. Die plötzliche Metamorphose seines Freundes zum Erzieher seines Kindes und die seiner Schwiegermutter zu seiner Mitbewohnerin – ihm war zwar noch bei weitem nicht alles klar, aber war das nicht die ideale Lösung? Weg mit diesen Neffen und Nichten und ihren angeheirateten Typen!
    Oder war es der absolute Irrsinn, zu verrückt, um es in Worte zu fassen? Max mit dieser schrecklichen Schwiegermutter in Drenthe – das konnte doch nicht wahr sein! Er, dieser wahnsinnige Satyr, mit dieser eisigen Sophia Brons unter einem Dach – was war in ihn gefahren? Wie kam er dazu, sich selbst so außer acht zu lassen? War er von seiner Vergangenheit eingeholt worden, er, das Ziehkind? Aber er hatte es ihm angeboten, da saß er und wartete auf eine Antwort. War es vielleicht einfach nur die Freundschaft?
    »Max –«, begann er, und es schien, als triebe ihm der Klang seiner Stimme Tränen in die Augen, »ich weiß nicht, was ich sagen soll –.«
    »Dann sag nichts. Oder besser: sag, daß es in Ordnung ist, dann sind wir schnell fertig.«
    Onno stand auf und ging aus dem Zimmer. Über dem Waschbecken auf der Toilette warf er sich mit beiden Händen Wasser ins Gesicht. Während er ein Handtuch suchte, das nicht da war, fragte er sich, ob er dieses Angebot annehmen konnte. Durfte er die Ursache sein für eine so tief greifende Veränderung in Max’ Leben? Vielleicht fühlte sich Max verantwortlich, da er, Onno, Ada ohne ihn nie kennengelernt hätte. Oder spielte vielleicht der Unfall eine Rolle, weil er damals hinter dem Steuer gesessen hatte, auch wenn ihn keinerlei Schuld traf? Mit einem Ärmel wischte sich Onno das Gesicht ab und ging zurück ins Zimmer.
    Max war aufgestanden und sah auf die karierten Papierbögen mit linguistischen Schemata, die an die Wand geheftet waren; der Diskos von Phaistos war offenbar noch immer nicht aus Onnos System verschwunden.
    »Mir dröhnen die Ohren«, sagte Onno. »Bist du sicher, daß du dich nicht von deinem Sinn für Humor mitreißen läßt?«
    Max mußte lachen.
    »Ich glaube, daß es mir nie so Ernst war wie heute.«
    »Vielleicht ist es das Ei des Kolumbus, aber hilf mir bitte, es zu verstehen. Was ist in dich gefahren? Ich würde es auch nicht einen Tag mit dieser Weibsperson aushalten. Wie soll ich mir das vorstellen? Hast du was mit ihr?«
    »Ha, ha«, lachte Max, »daß ich nicht lache.«
    »Es würde dir ähnlich sehen, aber wahrscheinlich gibt es sogar für dich Grenzen.«
    »Ich stelle mir das so vor«, sagte Max gefaßt, »daß ich dort leben werde wie ein Gelehrter mit seiner Haushälterin und deren Enkel. Sie wird mir Essen kochen und meine Hemden bügeln, die Kragen nie zur Spitze hin, sondern immer davon weg.
    In sexueller Hinsicht werde ich schon irgendwie auf meine Kosten kommen, ich werde bestimmt jemanden finden.«
    »Aber was treibt dich, das alles für mich zu tun?«
    »Nicht nur für dich, ich habe das Leben, das ich bisher geführt habe, allmählich satt. Ich brauche ja nicht nach Westerbork zu gehen, wenn ich das nicht will. Auch was mein erotisches Leben anbelangt, werde ich mich zur Ordnung bekehren; abgesehen davon, ist es nicht einfach, auf dem Lande zu leben wie ein Tier. Oder laß es mich anders ausdrücken: es paßt mir in gewisser Weise ganz gut in den Kram. Ich möchte gerne mit dem Teleskop arbeiten, andernfalls hätte ich allein und zur Untermiete bei einem dort ansässigen Notar gewohnt.
    Jeden Tag nach Amsterdam zu pendeln, wäre absoluter Blödsinn, und erst recht mit einem Volkswagen; es gibt außerdem auch oft nachts etwas zu tun. Ich werde ein Verhältnis mit der OP-Schwester des Krankenhauses in Hoogeveen anfangen, und danach mit der Deutschlehrerin vom Gymnasium in Zwolle. Der kann ich noch was beibringen. Und auf die Dauer wird sich bestimmt auch zwischen deiner Schwiegermutter und dem Antiquar in Assen etwas sehr Schönes entwickeln.«
    »Aber wenn du nun wirklich jemanden kennenlernst, eine Frau, mit der du eine Familie gründen willst?«
    »Dann nehme ich dein Kind natürlich mit. Aber das glaube ich nicht. Und etwas Unerwartetes ist immer möglich, auch deine Neffen Hans und Jan-Kees könnten sich scheiden lassen.«
    »Lieber Gott«, rief Onno und hob die Hände gen Himmel, »du sagst es. Meine Verwandtschaft! Wie sage ich es meiner Verwandtschaft?«
    Es war soweit.
    »Soll das also heißen, daß wir das so machen?«
    » Natürlich machen wir es so! Ich bin sicher, daß Ada es auch für das Beste gehalten

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