Die Entdeckung des Himmels
hätte.«
Die Bemerkung traf Max. Daran hatte er noch nicht gedacht, aber es war, als sähe er ihr Gesicht, das mit geschlossenen Augen nickte. Er streckte die Hand aus, die Onno kurz betrachtete und dann drückte.
»Champagner!« sagte Max. » La Veuve !«
»Geh du nur. Ich muß jetzt alleine sein.«
32
Pfuscherei
Als Max die Tür hinter sich zugezogen hatte, ging Onno nach oben und ließ sich aufs Bett fallen. Plötzlich hatten sich die Nebel gelichtet, aber ganz klar war es ihm noch immer nicht; schließlich war ein Kind aufzuziehen eine Angelegenheit von etwa siebzehn Jahren – das hieß, daß Max sein Leben bis zum Jahr 1985 festgelegt hatte, und dann würde er zweiundfünfzig werden. Zweiundfünfzig! Großer Gott! Dann lag das Leben schon fast hinter ihm – auch sein eigenes. Und wenn es nicht hinter einem lag, denn warum sollte ein Mensch nicht neunzig werden, hatte es sich doch vom Nachmittag in den Abend verwandelt. Und Max würde wohl auch noch andere Dinge tun wollen als nur sein Kind erziehen, zum Beispiel forschen, doch die Erziehung des Kindes half ihm möglicherweise sogar dabei, da es Ordnung in sein Dasein brachte.
Das Kind war vielleicht genau das, was er brauchte, um als Astronom voranzukommen, weil er sonst einen Großteil seiner Zeit damit vertun würde, den Frauen aus den Kleidern zu helfen – was alles gut und schön wäre, wenn man auf seinem Sterbebett befriedigt daran zurückdenken könnte. Aber man vergaß das meiste natürlich; es würde alles auf einen enormen Wäscheberg hinauslaufen, in dem der eine Slip nicht mehr vom anderen zu unterscheiden wäre. Und was hatte man, wenn man neunzig war, noch von dem Bewußtsein, auf unzähligen Siebzig- oder Achtzigjährigen gelegen zu haben? Oder auf Hundertjährigen? Geifernd säße man auf einer Parkbank, und wenn ein altes, zum rheumatischen Winkelhaken verkrümmtes Weib vorbeikäme, das vor sich hin murmelte und sich auf einen schwarzlackierten Stock stützte, würde man sich denken: Mit der bin ich auch mal in die Kiste gesprungen. Was für ein Triumph! Aber vielleicht wollte sich Max gar nicht erinnern, vielleicht wollte er ununterbrochen Frauen verlassen und vergessen, weil er selbst einmal verlassen und vergessen worden war. Er, Onno, wäre auf jeden Fall gefeit davor. Er hatte mit elf Frauen geschlafen, an die er sich Frau für Frau erinnern konnte, Helga war die neunte gewesen, Ada die zehnte, die kubanische Maria die elfte; und seit dem Unfall: Zero.
Aber wenn nun Max an diesem Punkt angelangt war, überlegte Onno, dann waren doch auch andere Wege denkbar, sein Leben zu ändern, auch ohne Sophia Brons. Er selbst mochte gar nicht daran denken, diese Frau ständig um sich zu haben, aber Max fühlte sich offenbar nicht von ihr eingeschüchtert. Auch wenn sie ein Miststück war, auch ihrem Leben gab Max wieder einen Sinn. Er versuchte zwar, sein Angebot als egoistische Tat hinzustellen, um es ihm, Onno, leichter zu machen, aber es war und blieb in erster Linie eine uneigennützige Tat der Freundschaft, für die er ihm sein Leben lang dankbar sein mußte. Er selbst konnte sich nun guten Gewissens seinen Aufgaben widmen, ohne im Hinterkopf immer mit dem Zweifel zu kämpfen, ob er auch richtig gehandelt hatte. Der Rebellenklub hatte ihn unlängst als Kandidaten für die Parteiführung nominiert, und darüber würde bald entschieden; wenn er gewählt werden würde, mußte er sich voll und ganz auf seine Aufgabe konzentrieren können.
Plötzlich stand er neben dem Bett, ging zum Telefon und wählte die Nummer seiner jüngsten Schwester.
»Dol? Hier Onno.«
»Augenblick. Ich komme gerade zur Tür herein. Ich gebe nur kurz dem Hund Wasser. – So, da bin ich wieder.«
»Hör mir gut zu, Dol. Ich weiß, daß ich dich überrumple, aber ich möchte die Angelegenheit aus der Welt haben. Soeben war mein Freund Max hier, du weißt schon, mein bester Freund, Max Delius, er hat mir angeboten, mein Kind aufzuziehen, zusammen mit meiner Schwiegermutter. Das wollte ich dir kurz melden.«
»Lieber Himmel, Onno, warte einen Augenblick, nicht so schnell, was sagst du da alles?«
»Daß mein Problem gelöst ist. Max bekommt eine Stelle beim neuen Radioteleskop in Drenthe, wo er auch wohnen wird; meine Schwiegermutter zieht zu ihm als Haushälterin, und da ist dann auch Platz für mein Kind. Schöner geht es nicht. Es ist alles unter Dach und Fach.«
Stotternd versuchte Dol etwas zu sagen.
»Aber Onno – warte doch – du kannst doch nicht so
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