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Die Entdeckung des Himmels

Die Entdeckung des Himmels

Titel: Die Entdeckung des Himmels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harry Mulisch
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ich ihn suchen.«
    Das Telefon klingelte, und ohne abzuwarten, wer am Apparat war, sagte der Anwalt: »Ich möchte jetzt nicht gestört werden.« Er legte den Hörer auf, verschränkte die Arme und lehnte sich zurück. »Es kann dich niemand davon abhalten. Hast du dich aber auch gefragt, ob du damit im Sinne deines Vaters handelst?«
    Er sprach ständig von dem, was im Sinne seines Vaters war.
    Quinten nahm Onnos Brief aus der Tasche und las ihm den letzten Satz vor. Als er seine Interpretation dargelegt hatte – daß es strenggenommen kein Suchverbot sei, sondern einfach ein Hinweis auf die Sinnlosigkeit eines solchen Unterfangens –, erschien ein Lächeln auf Giltays Gesicht.
    »Du wärest ein guter Jurist, Quinten.«
    »Es steht da, was dasteht.«
    »Absolut richtig. Aber da steht auch, daß du ihn nicht finden wirst. Wie willst du das Ganze denn angehen?«
    »Das weiß ich noch nicht. Ich hatte gehofft, Sie würden mich auf eine Spur setzen, aber ich finde schon einen Weg.«
    Giltay zog die Augenbrauen hoch.
    »Ist es das, weshalb du gekommen bist?«
    »Ja, warum denn sonst?«
    »Ich dachte, du bräuchtest vielleicht Geld für deine Suche.«
    »Ich habe Geld genug.«
    »So?«
    »Ich habe vierzigtausend Gulden geerbt.«
    »Vierzigtausend Gulden?« wiederholte Giltay und nahm die Lesebrille ab. »Von wem denn das?«
    Nachdem Quinten erzählt hatte, womit er sich das Geld verdient hatte, sah Giltay ihn eine Weile nachdenklich an.
    »Es wird dir vieles genommen, aber es kommt auch vieles zu dir zurück. Weiß der Himmel, vielleicht gelingt es dir ja tatsächlich, deinen Vater zu finden, obwohl es mir ein Rätsel ist, wie das funktionieren soll.«
    »Vielleicht geschehen ja immer noch Zeichen und Wunder«, sagte Quinten.

    Der Nieselregen war so fein, daß die Tropfen still in der Luft zu hängen schienen und Quintens Gesicht noch nasser machten als ein richtiger Schauer. Die beiden Erlen, die drei Findlinge, alles auf der Weide hinter Klein Rechteren troff vor Wasser, das von nirgendwoher zu kommen schien.
    Die rotbraune Kuh war nicht da. War das ein gutes oder ein schlechtes Zeichen? Ein gutes natürlich, denn sonst wäre sie da. Jetzt mußte er sich entscheiden, in welcher Richtung er seinen Vater suchen sollte. Langsam und mit weit geöffneten Augen drehte er sich im Uhrzeigersinn um seine eigene Achse und versuchte zu registrieren, ob er in einem bestimmten Augenblick etwas Besonderes spürte. Er spürte nichts, obwohl er in einer bestimmten Position doch mit hundertprozentiger Sicherheit in die Richtung seines Vaters geschaut hatte. Das kam ihm unbegreiflich vor. Er versuchte es noch einmal, noch langsamer und diesmal mit geschlossenen Augen, aber es führte zu nichts. Was nun? Er knöpfte sein Hemd auf und holte den kleinen Kompaß hervor. Wieder machte er eine langsame Umdrehung, hielt seinen Blick dabei aber ununterbrochen auf die Nadel geheftet. Wackelnd rotierte sie über die Skala von Nord nach West und über Süd zurück zu Nord, ohne daß sie irgendwo ein besonderes Verhalten gezeigt hätte.
    Verwundert gab er auf. Es war zwar rätselhaft, aber so funktionierte es wohl nicht. Er steckte den Kompaß ein und schaute über die Weide, seine innere Sicherheit schien plötzlich zu schwinden. War es also unmöglich? Vielleicht sollte er es auf die umgekehrte Weise versuchen. Wohin würde sein Vater auf jeden Fall nicht gegangen sein? Nicht nach Afrika vermutlich, und bestimmt auch nicht in den Ostblock oder nach China oder sonst irgendwohin in Asien. Das war schon eine ganze Menge, aber es blieben auf alle Fälle noch ganz Europa sowie Süd- und Nordamerika. Er sprach alle Sprachen, also war das kein Problem für ihn. Vielleicht war er ja in einem Kloster, aus dem er nie wieder herauskommen würde – hatte er nicht geschrieben, er wolle Eremit werden?
    Oder in einer selbstgebauten Hütte auf einer unbewohnten Insel, in Palmblätter gekleidet, oder irgendwo in einer Höhle in den Bergen. Auf Kreta vielleicht, wo der Diskos von Phaistos herkam? Aber selbst wenn er wüßte, daß er in New York war: auch dann würde er ihn nicht finden. Es hatte keinen Sinn. Aber was dann? Morgen waren die Osterferien zu Ende – sollte er also einfach wieder zur Schule gehen? Unmöglich, dafür war inzwischen zuviel mit ihm geschehen: Man konnte von einem losgelassenen Stein nicht verlangen, daß er auf halbem Wege wie ein Jojo wieder in die Hand zurückhüpfte.
    Das Hemd klebte, als hätte er es beim Arbeiten naßgeschwitzt;

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