Die Entdeckung des Himmels
Ihnen, und in noch höherem Maße dem Bürgermeister; danach gehörte alles zum zweiten Mal Ihnen in Ihrer Eigenschaft als Ministerpräsident, aber letztlich gehörte alles in den Niederlanden der Königin. Als Ressortleiter dachte ich, politische Macht sei ausschließlich die Macht des Wortes.
Wer die besten Ideen hatte und sie am besten formulieren konnte, hatte die größte Macht. Jetzt weiß ich, daß es erst in dritter Linie um Ideen und Wörter geht, und auch erst in zweiter um den, der sie spricht, um die Person. Sogar das halten die meisten Menschen schon für schrecklich undemokratisch, aber es ist noch viel schlimmer. Macht ist die Macht des Fleisches.
Macht ist körperlich. Dieser Tatsache hat noch nie jemand ins Auge zu blicken gewagt. Niemand erwirbt Macht durch das, was er sagt, sein politisches Programm ist ebenso Nebensache wie seine Person; ein anderer kann mit genau demselben Programm kommen, ohne daß etwas geschieht. Macht erwirbt ausschließlich derjenige, der die fleischliche Konstitution besitzt, Macht zu erwerben. Würde er einen anderen Standpunkt einnehmen, beispielsweise das Gegenteil, oder aber das gleiche, nur in einer anderen Partei oder Bewegung, er würde ebenfalls Macht erwerben. Sie hätten immer Macht erworben, Vater, selbst bei den Katholiken oder den Kommunisten. Der Mächtige ist jemand, der Macht erwirbt, weil er ein physisches Geheimnis hat, aufgrund dessen die anderen sagen: ›Ja, das ist unser Mann‹ – oder unsere Frau natürlich. Der Surplus ist ausschließlich dieses eine Ding: der Körper. Politik ist weder eine Wirtschaftsbranche, wie Marx dachte, noch eine Unterabteilung der Theologie, wie mein Vater meinte, oder gar der Soziologie, wie viele glauben, Politik ist eine Sache der Biologie.
Die Kleinbauern in Thailand haben das wissenschaftlich bewiesen. Ich lese fast nie Zeitung und habe keine Ahnung, was in der Welt los ist, ich habe keinen Fernseher, kein Radio und kein Telefon, wie du sehen kannst, Edgar – aber wenn ich an einem Kiosk ein Foto von Margaret Thatcher entdecke, die in England das Sagen zu haben scheint, dann weiß ich auf der Stelle: durchtriebene Erotik. Eine bürgerliche Kleopatra. Natürlich ist sie intelligent und einfühlend und was immer du willst, aber das sind andere englische Frauen, die es nie weiterbringen werden als zur Chefeinkäuferin bei Harrod’s, auch.
Wie funktioniert das? Zum Beispiel Hitler. Freud hat demonstriert, daß die Krankheit nicht von der Gesundheit aus betrachtet werden darf, sondern die Gesundheit von der Krankheit aus. Auf dieselbe Weise darf Hitlers absolute Macht nicht aus mehr oder weniger normalen Machtstrukturen heraus begriffen werden, denn das gelingt einem nie, sondern umgekehrt. Mit Hitler kann man Maggie und Dorus erklären, Hitler jedoch nicht mit Maggie oder Dorus. Angenommen, es hätte keinen Hitler gegeben, sondern irgend jemand anders hätte seit seiner Geburt in Braunau genau dieselben Dinge gesagt und getan wie er – und solche Menschen gab es noch und noch –, glaubst du, in diesem Fall wäre alles genauso bis zum bitteren Ende verlaufen, wie es tatsächlich verlaufen ist? Natürlich nicht! Wie lange hätte der andere das durchgehalten?
Irgendwann in den zwanziger Jahren hätten ihn Röhm oder Strasser wahrscheinlich angebrüllt: ›Jetzt halt endlich deine große Klappe!‹ Aber er war eben nicht jemand anders, er war der dunkelhaarige Mann mit dem verbissenen Gesicht und dem ›Basiliskenblick‹, wie Thomas Mann ihn einmal bezeichnet hat, der Mann mit der blassen Stirn, den fanatischen Jochbeinen, den gespannten Wangen und verkniffenen Lippen.
Diese Erscheinung war für gut dreiunddreißig Prozent seiner Wirkung verantwortlich, und alle Neonazis dieser Welt lieben sie noch immer. Salvador Dali hat einmal gesagt: ›Ich liebe seinen Rücken.‹ Das kann man vielleicht als surrealistische Bemerkung eines spanischen Irren abtun, aber es deutet zugleich auf ein Bewußtsein der alles bestimmenden Körperlichkeit hin. Und was hältst du von der Bemerkung, die Heidegger einmal gegenüber Jaspers machte, als dieser sich fragte, wie ein so unkultiviertes Subjekt wie Hitler Deutschland regieren könne, und Heidegger antwortete: ›Kultur tut nichts zur Sache … aber achte einmal auf seine wunderschönen Hände.‹ Außerdem verfügte er über eine durch Mark und Bein gehende Stimme, die alles, was er sagte, zu etwas ganz anderem machte, als wenn ein anderer dasselbe gesagt hätte.
Die rhetorische
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