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Die Entdeckung des Himmels

Die Entdeckung des Himmels

Titel: Die Entdeckung des Himmels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harry Mulisch
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gehen, Onno?« fragte Max, während sie auf dem Weg zur Kundgebung waren.
    Unsicher sah Onno ihn an.
    »Vielleicht ist das mein Schicksal?«
    »Dein Schicksal? Das hast du doch selbst in der Hand!«
    »Meinst du? Du bist auf jeden Fall vollkommen ungeeignet für die Politik, denn dazu muß man aus einer großen Familie kommen. Dieses Fach lernt man nur im Streit auf Leben und Tod, mit vielen Geschwistern. Wer diese Schule aus Intrige, Betrug und Einschüchterung nicht durchlaufen hat, aus dem wird nie etwas. Ich bin also ausgezeichnet qualifiziert, aber du bist Einzelkind, du hast dir die Gunst deiner Eltern nie erkämpfen müssen.«
    »Aber nur um Haaresbreite. Ich hatte einen älteren Bruder, aber der ist den Krippentod gestorben.«
    »Das sieht dir ähnlich. Du duldest keinen neben dir. Aber wie die Dinge für dich liegen, eignest du dich nur noch zum König.
    Wer weiß, wenn das so weitergeht, wird die Stelle bald frei.«
    »Dann werde ich dich augenblicklich zum Gestalter meines ersten und einzigen Kabinetts ernennen, denn dann schaffe ich die Demokratie ab und rufe die absolute Monarchie aus.«
    Onno krümmte den Rücken und faltete flehend die Hände.
    »Eure kaiserliche und königliche apostolische Majestät , würden Sie vielleicht nicht doch –«
    »Das ist mein letztes Wort, die Audienz ist beendet, dort ist die Tür. Oder besser: dort ist das Fenster.«
    »Sire, soll ich wirklich …«
    »Spring!«
    »Verdammt«, sagte Onno und richtete sich auf, »ich weiß nicht, ob du es weißt, aber das ist die böhmische Defenestration , die in deinem verseuchten Gehirn hochwallt. Im Hradschin in Prag wurden mißliebige Politiker immer schon aus dem Fenster geworfen.« Kopfschüttelnd sah er plötzlich auf Max’ eleganten Sommeranzug mit Stecktuch. »Für eine subversive Zusammenrottung bist du denkbar schlecht gekleidet.«
    »Robespierre ging auch nach der Mode des Ancien régime.«
    »Ja, bis sein Kopf vom Spitzenkragen geschlagen wurde.«
    »Und du hast deinen Pullover verkehrt herum an. Du siehst lächerlich aus mit diesem Etikett im Nacken.«
    »Du würdest so was wahrscheinlich mit Absicht tun.«
    In den Seitenstraßen standen dunkelblaue Polizeibusse mit bewaffneten Provinzlern, die wie geduldige Katzen neben dem Mauseloch warteten. An der Drehtür herrschte großes Gedränge. Der Theatersaal, ein provisorisch umgebauter Versteigerungssaal, war mit roten Fahnen und Postern von Marx, Lenin, Bakunin, Mao, Ho Tschi Minh und natürlich von El Che drapiert, dem Held der Helden, der seinen kubanischen Ministerposten aufgegeben hatte und jetzt im Urwald wahrscheinlich von Bolivien am Guerillakrieg zur Befreiung des lateinamerikanischen Kontinents teilnahm. Es herrschte eine vergnügliche Betriebsamkeit, nach der jeder mittlerweile süchtig war. Zwischen den gußeisernen Säulen der überdachten Galerie ringsum gab es Stände, an denen die Revolution in allen Geschmacksrichtungen und Ausführungen angepriesen wurde: moskautreue Kommunisten, abgespaltene Kommunisten, Trotzkisten, Anarchisten, Maoisten, die Sozialistische Jugend, die Rote Jugend, die Studentengewerkschaft, das medizinische Komitee Niederlande-Vietnam, Provo, Die Vereinigung Niederlande-UdSSR, Niederlande-DDR, Niederlande-Polen, Niederlande-Rumänien … Niederlande-Weltall! Der schickste Stand auf dem Jahrmarkt des Umschwungs war zweifellos der des Komitees der Solidarität mit Kuba, denn dort verfügte man über Ernesto Che Guevara selbst, dessen Porträt in der Stadt sogar die Schaufenster der besseren Herrenausstatter zierte. Mit einer Mischung aus Spott und Respekt sah man den bekannten Schriftsteller, den illustren Schachgroßmeister und einen führenden Komponisten auf einfachen Küchenstühlen sitzen, die in ein Gespräch mit zwei dunkelhäutigen Männern verwickelt waren, beide zwar ohne Bart und Zigarre, aber zweifellos Kubaner. Zudem waren überall Typen mit besonders vertrauenerweckender, aufwiegelnder, extrem linker Lektüre unter dem Arm zu sehen, die das Ganze beobachteten, deren Frisur und Gesichtszüge allerdings eine andere Sprache sprachen: Fahnder, Nationaler Sicherheitsdienst, Spione der Reaktion. Selbst die Gänge waren bald mit halb übereinanderliegendem Publikum gefüllt, und allmählich verbreitete sich die metaphysische Süße von Hanfdüften.
    Der Abend wurde von einem beliebten Studentenführer eröffnet, Bart Bork, einem Soziologen, der den amerikanischen Imperialismus verurteilte und zur Aktion drängte. Während er

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