Die Entdeckung des Himmels
ihn mit dem Kopfk issen zu ersticken.«
Aber er wollte kein Kind, und auch Ada wollte keines. Nachdem sie einige Wochen lang geschrubbt, gebohnert, geweißelt und gemalt und Onno dabei anerkennend zugeschaut hatte, wollte sie einfach den Umzugswagen aus Leiden vorfahren lassen; aber das ging Onno zu weit. Er fand, daß dem doch ein Gespräch mit ihren Eltern vorausgehen sollte. Nicht, daß dies irgendeinen Einfluß haben würde, aber immerhin war sie deren einziges Kind, und es gehörte sich einfach nicht, daß er es ihnen ohne ein Wort wegnahm. Er hatte sie ja noch nicht einmal kennengelernt!
»Angenommen, du bist selbst Mutter und dein Kind verschwindet plötzlich bei Nacht und Nebel!«
»Und was ist mit deinen Eltern? Solltest du mich dann nicht auch deinen Eltern vorstellen? Ich nehme dich ihnen doch auch weg?«
»Lieber Himmel, weißt du eigentlich, was du da sagst?
Wenn die hören, daß ich unverheiratet mit jemandem zusammenleben werde, bekommen sie einen Schlaganfall. Ich habe ihnen auch Helga nie vorgestellt, ich muß immer alles heimlich machen.«
Ada hielt das alles für überflüssig. Onno hatte ihre Eltern schon früher einmal kennenlernen wollen, er war neugierig auf sie, vor allem auf ihre Mutter: seiner Meinung nach sollte man sich immer die Mutter einer Frau ansehen, wenn man wissen wollte, wie sie selbst werden würde. Vor allem diese Bemerkung hatte bei der Vermeidung einer Begegnung eine Rolle gespielt; die Vorstellung, daß sie genauso werden würde wie ihre Mutter, erfüllte Ada mit Ekel. Sie haßte ihre Mutter und schämte sich für ihren Vater, der immer die falschen Dinge sagte. Andererseits gefiel es ihr, daß Onno diesen Wunsch geäußert hatte. Alles in allem hatte Max sich gerade einmal nach ihren Eltern erkundigt; sie waren für ihn überflüssig, wie sie selbst letztendlich auch. Bei Onno hatte sie dieses Gefühl des Überflüssigseins nicht, sondern, fast im Gegenteil, den Eindruck, daß er nicht mehr ohne sie sein konnte, obwohl er nicht der Mann war, ihr das zu sagen. Die Frage, ob dasselbe auch für sie galt, ließ sie nicht zu.
Sie wußte es zu verhindern, daß er nach Leiden fuhr und die spießbürgerliche Behausung ihrer Eltern zu sehen bekam: am nächstfolgenden Montagnachmittag, als das Antiquariat geschlossen hatte, kamen sie nach Amsterdam. In der Kerkstraat schüttelten Oswald und Sophia Brons Onno mit der Unbehaglichkeit von Bewerbern die Hand. Brons schien ihm ein braver Tölpel, aber vor Adas Mutter hatte er augenblicklich fast so etwas wie Angst: sie sah ihn an mit einem Blick, als sei er ein Ding, ein Stuhl, der nicht an seinem Platz stand.
Dann schauten sie sich die leeren Räume der Wohnung an, und Onno sah, daß die Mutter alles mit diesem Blick betrachtete: es war offenbar ihre Art. Im Souterrain, das Ada von einer Wildnis in einen relativ gepflegten Garten verwandelt hatte, zeigte ihr Vater auf die Tabellen, die noch an ihrem alten Platz hingen, und fragte: »Machst du gar nichts mehr in der Astronomie, Onno?«
»Du bringst wieder alles durcheinander, Papa«, sagte Ada ärgerlich. »Das war Max, mein voriger Freund.«
»So genau hast du uns auch nicht auf dem laufenden gehalten, Ada«, sagte Frau Brons mit einem Blick zu Onno. »Wir mußten ihr jedes Wort aus der Nase ziehen.«
»Die Jugend von heute«, nickte Onno, »macht, was sie will.«
»Wie alt bist du denn?« fragte Brons.
»Was für eine gemeine Frage. Ich schätze, daß ich um genausoviel älter bin als Ada, wie Sie älter sind als ich.«
»Ich werde das zu Hause einmal ausrechnen. Aber trotzdem siezt du mich.«
»Ich kann doch meinen Schwiegervater nicht duzen! Das würde die gesamte gesellschaftliche Struktur vollkommen untergraben.«
Unter Adas dunklen, scharf gezeichneten Augenbrauen sah ihre Mutter ihn an.
»Habt ihr vor zu heiraten?«
»Mama, bitte …«
»Warum darf ich das nicht fragen?«
»Weil mir das unangenehm ist. Als ob heiraten das Höchste wäre. Wenn wir vorhaben zu heiraten, wirst du es schon erfahren; vorläufig haben wir es nicht vor, nein.«
Wenn alles eingerichtet sein würde, würden sie wiederkommen – und jetzt auf Anregung von Sophia Brons erst mal bei de Bijenkorf, wo sie einkaufen wollte, einen Tee trinken.
Während Ada und ihre Mutter in den parfümierten, spiegelnden Labyrinthen des Kaufh auses verlorengingen, fanden Onno und Oswald Brons in der Cafeteria einen Tisch am Fenster. Verlegen und von gesetzten Damen umgeben, sahen sie auf die belebte Straße.
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