Die Entführung der Musik
Pistole ge- schossen zurück. »Wir brauchen einfach nur einen neuen Leadsän- ger.«
»Nun, wenn ihr nichtss dagegen habt, die eine oder andere phantas- sievolle Katzzenmussik zu begleiten, habe ich vielleicht Verwendung für euch.« Sie öffnete den Mund und führte einen der süßesten, reins- ten Soprane vor, die Jon-Tom je gehört hatte. Zumindest war er süß und rein, bis er in einer Folge von Knurr- und Jaullauten abbrach. Roh und ungeschult, schneidend und hart, klang dies wie ein Dutzend brünstiger Gassenkatzen.
»Hey, das ist gar nicht schlecht!« Bewundernd summte Zimmerman schon den Beat zu dem Refrain. »Klingt fast wie Pearl Jam.«
»Oder die Chili Peppers«, schlug HUI vor.
Gathers nickte zustimmend. »Ey, Leute, damit können wir arbeiten, Leute. Ist das Engagement, na ja, bezahlt?«
»Kosst und Logis«, erwiderte Seshenshe, »aber in einem königli- chen Maßßsstab. Alss offizzielle Hofmussiker wird man ssich um euer Wohl kümmern.«
Das Trio wechselte Blicke. Dann sprach Zimmerman für alle. »Das ist das beste Angebot seit langem. Muß besser sein, als für Klubs in Passaic zu spielen.«
Hill schauderte leicht zusammen. »Alles ist besser als das.«
Etwas befangen, weil er sich an eine Prinzessin wandte, fragte Gathers zögernd: »Gehören zu dem Essen auch, na ja, Getränke?« Seshenshe zeigte beim Lächeln die Zähne. »Die bessten geisstigen Getränke meiness Landess ssollt ihr kossten. Mein Volk hat eine lange Tradition in Brauerei und Weinbau.«
»Na, dann okay!« Hill schien zufriedengestellt. »Für mich klingt das in Ordnung, Leute.«
»Nur noch eins.« Gathers wollte noch mehr sagen und schaute Jon- Tom hilflos an. »Ist dieser königliche Hof vielleicht, na ja, äh... integ- riert?«
Jon-Tom lächelte beruhigend. »Ihr werdet feststellen, daß alle warmblütigen Arten sich hier ziemlich frei vermischen. Ich bin mir sicher, daß ihr in Paressi Glissar andere Menschen vorfinden werdet.«
»So is das 'ier.« Mudge zwinkerte. »Natürlich is es eure Entschei- dung, ob ihr euch beschränken wollt un...« Jon-Tom legte dem Otter die Hand über die Schnauze.
»Sollen die Jungs doch ein paar Sachen allein herausfinden, meinst du nicht? Wir brauchen sie nicht noch mehr zu verwirren, als sie es ohnehin schon sind.« Unter Führung der Soldaten watete die Gruppe zum wartenden Rettungsboot hinaus.
»Kein Delikatessenladen an der Sixth Avenue«, brummte Hill, »a- ber ich schätze, ein königlicher Hof kann so schlecht nicht sein.«
Mudge zog den Freund am Ärmel, »'ör mal, Kumpel. Was is mit der ganzen Musik, die da oben gefangen is, weißte nich?«
»Damit wollte ich mich gerade beschäftigen.« Jon-Tom stand am Strand und wandte sich dem Zentralgipfel zu, der noch immer in sei- nen griesgrämigen Mantel dunkler Wolkenhaufen gehüllt war. Er machte die Duar bereit und begann ein letztes Mal zu singen. Diesmal benötigten seine Worte keine außerweltliche Verstärkung.
Musik kann man nicht binden, Musik hält man nicht fest, Ein Lied muß frei sein, Dann steigt es und bringt Licht In jeden Winkel der Welt. Halt die Musik jetzt nicht, Versperr uns nicht die Sicht, Wie Musik sich vorwärts schnellt, Daß die Luft selbst sich verkriecht!
Oh, welcher Klang sich da erhob! Die schwarzen Wolken brachen auseinander, und die ganze Musik, die Hieronymus Hinckel heimlich in seiner Falle gefangen hatte, kam in einer riesigen, stampfenden, glorreichen Welle reinen Klangs den Hügel heruntergerauscht, wobei jeder einzelne Ton wie ein von hundert Flutlichtern bestrahlter Perl- muttsplitter aussah.
In einer großen Flutwelle von Melodie und Rhythmus, Harmonie und Tempo schwemmte es über die Gruppe, dort wo sie stand, hin- weg. Die Musik fuhr ihnen durchs Haar und neckte ihre Nervenen- dungen, eine Klangkonzentration, wie keiner von ihnen sie je gehört hatte, noch je wieder hören würde.
Sie verschwand schneller als eine Lieblingserinnerung, verstreute sich über den Ozean und verteilte sich in die vielen Länder, aus denen sie gestohlen worden war. Melodien kehrten zu ihren Instrumenten zurück, Lieder kamen wieder zu ihren Sängern, unheimliche hohe Schreie wurden von Hunderten von wartenden Walen aufgenommen und neu gelernt. Jon-Tom und seine Gefährten behielten davon ein Gefühl großer Wärme und Zufriedenheit zurück.
Dann hörte Jon-Tom ein Geräusch, das er schon ziemlich lange so nicht mehr vernommen hatte. Ein Geräusch, das er, von seiner Fami- lie, seiner Bannsängerei und
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