Die Entführung der Musik
was sonst äußerst selten geschah. Die Akkordwolke verstumm- te plötzlich und schoß davon, um sich unter dem scharfkantigen Bug des Sumpf-Buggys zu verstecken.
»Was ist denn das?« Wie ihre Schicksalsgenossinnen starrte Ansi- bette die Erscheinung ungeniert an.
»So etwas habe ich noch nie gesehen!« rief Umagi mit weitaufge- rissenen Augen aus.
»Aber ich!« Naikes Worte kamen genauso unerwartet wie seine Re- aktion. Er zog sein Schwert und sprang vor.
»'ey, wart mal, Chef!« Mudge trat dem entschlossenen Leutnant in den Weg.
Auch die anderen Soldaten hatten ihre Waffen gezogen und standen angriffsbereit da. »Aber das ist einer vom Volk der Gepanzerten!« drängte Heke. »Vom verhaßten, ruchlosen, gefürchteten Volk der Ge- panzerten.«
Mudge war nicht beeindruckt und musterte die Erscheinung gründ- lich. »Nee, kommt mir nich so vor.«
»Und was ist es dann?« Naike ließ sich zwar zurückhalten, beäugte das Wesen aber weiterhin mit großer Unruhe. Das Wesen seinerseits beachtete sie nicht im geringsten und widmete sich in aller Ruhe der Betrachtung seiner Umgebung.
»'ör mal, Kumpel, bist du einem vom Volk der Gepanzerten schon einmal wirklich gegenübergestanden? Irgendeiner von euch?«
Die Soldaten warfen sich unsichere Blicke zu. Schließlich antworte- te Naike.
»Nun, nein, eigentlich nicht. Nicht von Angesicht zu Angesicht. Aber wir kennen alle die Berichte und haben Bilder gesehen.«
»Ach, so is das? Aber wie der Zufall es will, 'atten Jon-Tommy un ich vor vielen Jahren die Gelegen'eit, uns mit mehr Ange'örigen vom Volk der Gepanzerten zu befassen, als ihr euch über'aupt vorstellen könnt, und befaßt 'aben wir uns mit ihnen, wahr'aftig!« Er zeigte auf das vor ihnen stehende Wesen. »Bei dem da stimmen weder Ausstaf- fierung noch Haltung.«
»Dann ist der da eben ein modebewußter Angehöriger des Volks der Gepanzerten.« Heke ließ den Besucher nicht aus den Augen.
»Mudge hat recht«, stimmte Jon-Tom dem Otter bei. »Dieses We- sen hat ein Gliederpaar zuviel. Alle Angehörigen des Volks der Ge- panzerten haben sechs Glieder, und das Wesen hier hat acht. Und auch zum Volk der Weber* gehört es nicht.«
* Siehe: Die Stunde des Tors ( HEYN E - BUCH Nr. 06/4277) Das Wesen sah mit zurückgelegtem Kopf zu ihm auf und erklärte kühl: »Das haben Sie richtig beobachtet. Zu diesen gepanzerten Krea- turen gehöre ich nicht, wer auch immer sie sein mögen.«
»Er spricht auch nich wie einer von denen.« Mudge fühlte sich bes- tätigt.
Statt eines weiteren Kommentars wandte der Besucher seine Auf- merksamkeit der Vorrichtung zu, die er in zwei seiner vier Hände hielt, und betrachtete mit großen Facettenaugen die Anzeige auf der makellos gearbeiteten Oberfläche.
»Wer sind Sie?« Wie vor den Kopf geschlagen starrte Jon-Tom den Besucher an. Den konnte er mit seiner Bannsängerei unmöglich be- schworen haben. »Was tun Sie hier?«
»Meinen Sie, mir macht das Spaß?« Das Wesen sprach, ohne ihn anzuschauen. »In verschiedene Realitäten rein- und wieder rauszuhüp- fen wie ein blindes Kindermädchen, das den richtigen Bruttunnel sucht? Es ist schwierig, gefährlich, zeitraubend und zermürbend.«
»Danach klingt es auch.« Mudge stimmte zu, ohne im geringsten zu wissen, wovon das Wesen sprach. Hinter ihm entspannten sich Naike und die anderen Soldaten. Der Besucher klang wesentlich weniger be- drohlich, als er aussah.
»Sie können mich Cazpowarex nennen. Und in Anbetracht Ihrer einfachen geistigen Struktur werde ich auch auf Caz reagieren.«
Mudge pfiff. »Wer 'at 'ier ne einfache geistige Struktur, du ver- dammter, zu groß geratener...«
»Mudge«, warnte Jon-Tom, »wo bleibt dein Sinn für Gastfreund- schaft? «
»Der is woanders zu Gast, Kumpel, un liegt grad krank im Bett.« Aber der Otter machte keine Anstalten zum Angriff. Wie sehr das sein Glück war, hätte er sich nicht einmal ausdenken können.
Das Wesen, das sich Caz nannte, betrachtete die vier Mungosolda- ten, den Schwarm Prinzessinnen und den vor Wut dampfenden Otter an der Spitze der Gruppe. Doch dann konzentrierte er seine Aufmerk- samkeit auf Jon-Tom.
»Sie kenne ich. Sie sind ein Mensch. Diese anderen sind mir fremd. Ebenso wie dieser ganze materielle Raum.« Ein gereizter, zirpender Ton entstieg den Atemstacheln, die die Brust des Wesens überzogen.
»Das passiert, wenn man am Zeit-Raum-Kontinuum herumfummelt.«
»Ich wollte Flugbenzin herbeibeschwören.« Jon-Tom fiel nichts ein, was er sonst hätte
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