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Die Entfuehrung der Wochentage

Die Entfuehrung der Wochentage

Titel: Die Entfuehrung der Wochentage Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lena Kleine
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schrammten am gezackten Fensterrahmen vorbei. Schmerz durchflutete sie, aber die Panik sorgte dafür, dass sie ihm nur geringe Beachtung schenkte.
    Ihr halbnackter Körper landete in eiskalten Schnee, der sich augenblicklich durch das Blut ihrer Schürf- und Schnittwunden rot verfärbte.
    »Verdammt«, hörte sie ihn fluchen. Doch sie hatte keine Zeit, nachzusehen, ob er ihr folgte. Sie rappelte sich hoch. Weiße Flocken klebten auf ihrer schweißnassen Haut und erzeugten ein beißendes Gefühl.
    »Wohin willst du?« rief er ihr hinterher. »Wir sind hier auf einer abgeschiedenen Berghütte. Komm gefälligst zurück, du dumme Kuh!«
    Seine geografischen Informationen waren ihr herzlich egal. Sie rannte mit brennenden Füßen durch die Schneemassen, die ihr teilweise bis zu den Knien reichten, und ihr ein Vorankommen erschwerten. Sie watete weiter, Blut tropfte hinab und hinterließ eine feinsäuberliche Spur, die direkt zu ihr führte. Er würde den roten Flecken nur folgen müssen. Sie ächzte auf und versuchte, lockeren, frischen Schnee über die Fährte zu werfen, aber es war sinnlos, denn neue Tropfen perlten in die blütenweiße Pracht.
    In ihrer Nähe hörte sie das Motorgeheul eines Schneemobils. Er war ihr also inzwischen auf den Fersen. Und wie als wolle sie das Schicksal verhöhnen, tauchte er abrupt wenige Meter entfernt auf. Das Gefährt flog förmlich über die Ebene und ließ den Abstand auf lächerliche Meter herunter schmelzen.
    Rasant kam er angefahren und bremste knapp vor ihr. Schneeflocken wurden aufgewirbelt, sie hustete und hielt sich die Hand schützend über die Augen. Sie stolperte rittlings und verlor den Halt.
    »Achtung«, schrie er sie an. »Da ist ein Abhang.«
    Diese Warnung kam zu spät, denn Sofia befand sich bereits in einem schnellen Abwärtsritt. Eis und Schnee peitschten ihren Leib, während sie nach unten schlitterte.
    Sie überschlug sich am Fuße des kleinen Berges und blieb stöhnend auf dem Rücken liegen. Über ihr kreisten zwei Krähe und sie konnte zwischen den grauen Wolken die Sonne hervorblitzen sehen, dann legte sich ein Schatten über sie.
    Der Anblick des Mannes war bei weitem nicht so schön wie das Sonnenlicht, sondern glich eher dem aufziehenden Gewitter, welches den Himmel trübte.
    Sie lächelte verzeihend. »Ich fand einen kleinen Ausflug für ganz angebracht. «
    »Ach ja?«, erwiderte er mürrisch. »Ohne den Reiseleiter sind zukünftige Ausflüge verboten.«
    Er half ihr hoch. Seine Umklammerung war dabei so hart, dass Sofia meinte, sämtliche Knochen in ihrem Leib würden brechen.
    Ihre Haut war krebsrot und von Schnitten übersäht, die er verdrießlich begutachtete. »Schön, haben wir diesen Punkt auch hinter uns gebracht.«
    »Was für einen Punkt?«, stöhnte sie auf, als seine freie Hand über ihre Schulter glitt und die große Wunde befühlte.
    »Den Fluchtversuch. Jeder probiert, zu fliehen. Die einen machen es früher, die anderen später, die wenigsten aber wagen einen erneuten Versuch.«
    »Warum?«
    Er tätschelte ihre Wange. »Die Konsequenzen sind nicht sehr schön, darum. Nach der ersten Bestrafung trauen sich nur die Dummen oder Masochisten ein weiteres Mal, abzuhauen.«
    Er zog sie dichter heran und wisperte: »Freust du dich schon auf deine Bestrafung?!«
    »Nicht im geringsten«, säuselte sie benommen. Der waghalsige Fluchtversuch forderte seinen Tribut und ihre Kräfte schwanden. Jetzt fror sie erbärmlich und die Wunden brannten fies.
    Er lachte über ihre Antwort und platzierte sie auf dem Schneemobil vor sich, mit seinem linken Oberarm drückte er sie fest an seine Brust, während er mit der freien Hand geschickt das Gefährt steuerte. Sie setzten sich langsam in Bewegung und schaukelten bedächtig zurück.
    »Warum hast du mich nicht erschossen?«
    Der Druck auf ihrem Oberkörper wurde stärker, als er seinen Arm fester um ihren Körper legte. »Weil es einen Käufer für dich gibt. Ich bin nicht befugt, die Ware zu beschädigen.«
    Jetzt ahnte sie, warum er sie grober umklammert hielt. Die Aussage, die er gemacht hatte, war nicht gerade erfreulich. Sie war also zu einer Ware degradiert worden, die er in Marelando abzuliefern hatte. Sie war kein Mensch mehr.
    Sie fuhren schweigend weiter und Sofia konnte die kleine Hütte schon nahen sehen. Ihr Magen krampfte sich bei dem Anblick ihres Gefängnisses zusammen, als das Schneemobil zum Halten kam.
    »Steig ab«, kommandierte er sie schroff. »Und folge mir.« Sie gehorchte ihm und ging

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