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Die Entführung in der Mondscheingasse

Die Entführung in der Mondscheingasse

Titel: Die Entführung in der Mondscheingasse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Wolf
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Lotto/Toto-Annahmestelle, als Getränke-Markt mit Schwerpunkt
italienischer Weine und jetzt als — Hundesalon.
    Im vorderen Drittel standen Stühle und
ein Tischchen mit Zeitschriften. Hier konnten Herrchen und Frauchen auf ihre
Vierbeiner warten.
    Im zweiten Drittel war der Shop (Laden), wo von der Hundeleine über den Büffellederknochen bis zur Entwurmungskur alles
gekauft werden konnte.
    Im hinteren Drittel des Raumes,
abgetrennt durch einen Glasperlenvorhang, stand der Tisch, auf dem die Hunde
geschoren wurden: kahl, kurz, mittellang oder modisch — je nach Wunsch.
    Im Warte-Drittel war niemand. Gaby
setzte Oskar auf den Boden, wo er sich gleich mit der linken Keule hinter dem
Ohr kratzte.
    Lächelnd kam Frau Feinschnitt aus der
Tiefe des Hintergrundes.
    „Tag, Gaby!“ Sie gab ihr die Hand. Dann
tätschelte sie Oskar.
    Frau Feinschnitt war jung, trug einen
zweckmäßigen Kittel und immer die neueste Frisur in wechselnden Farben.
Wahrscheinlich wäre sie gern Frisöse in einem Damen-Salon geworden. Aber der
Mangel an Lehrstellen oder andere Umstände hatten sie auf den Hund gebracht.
Jedenfalls konnte sie mit Vierbeinern gut umgehen. Und sobald Oskar seine
Schwellenangst überwunden hatte, ließ er alles mit sich machen.
    „Sie wissen ja — wie beim letzten Mal“,
sagte Gaby.
    Oskar, jetzt keineswegs bockbeinig,
ging mit Frau Feinschnitt mit.
    Gaby setzte sich. Alsbald hörte sie
Oskars Seufzen aus dem Hintergrund und das Klappern der Schere.
    Sie griff nach einem Journal und begann
zu blättern. Plötzlich spürte sie, wie etwas Kühles unter ihrer Bluse abwärts
zum Nabel glitt.
    „Huch, meine Kette.“
    Sie blieb überm Hosenbund liegen, die
Halbmond-Kette mit dem UR. Gaby zog sie hervor und glaubte, der Verschluß sei
kaputt. Aber sie konnte nichts feststellen. Andererseits wollte sie’s nicht
riskieren, das Kettchen zu verlieren. Vielleicht würde sich der Verschluß
abermals öffnen.
    Statt es umzulegen, schob sie’s in die
winzige Tasche ihrer Jeans.
    Aufgerollt zu einem silbernen Knäul lag
es dort.
    Später — als Gaby aufsprang, um ihren
feingemachten Liebling in Empfang zu nehmen — rutschte es heraus und unter das
Kissen, mit dem der Stuhl gepolstert war.
    Gaby merkte nichts.

13. Das andere Gesicht
     
    Etwa zur gleichen Zeit kaufte sich
Klößchen eine große Waffeltüte Schokoladeneis.
    Die Jungs hatten sich von Glockner und
Frau Dießen verabschiedet und den ,langen Theo’
verlassen. Aber noch befanden sie sich in der Nähe, nämlich am Rande der
Innenstadt, wo es freilich so lebhaft zuging wie auf den verkehrsreichsten
Plätzen.
    Klößchen schleckte das Eis in sich rein
und ließ andächtig die Lider hängen. Es sah aus, als schlafe er schon.
    „Eigentlich hätte ich Durst“, meinte
Karl, „Durst auf Mineralwasser oder Cola. Nach dem Wahnsinnispower eben steht
uns eine Labung zu. Ja?“
    Tarzan nickte, und Klößchen lehnte
niemals ab, was im weitesten Sinne mit Essen und Trinken zu tun hatte.
    Ein Straßen-Café hatte sich tatsächlich
auf die Straße ausgedehnt, bestuhlte und betischte jedenfalls den halben
Gehsteig, der aber an dieser Stelle breit genug war.
    Sie ankerten an einem zierlichen
Tischchen, wo eben vier Teenie-Bopper (weibliche Disko-Flitzer) aufgestanden waren. Die Sitzflächen der Stühle fühlten sich noch warm an von
ihren Schniegeljeans.
    „Hätte nicht gedacht“, sagte Tarzan, „daß
Gehlert mitmacht. Bitte, eine Cola.“
    Das galt der Serviererin, die vier
leere Riesenbecher abräumte.
    „Mir auch“, nickte Karl. „Eine Cola.
Ja, der Typ ist er eigentlich nicht. Ist überhaupt ein sonderbarer Typ. Ich
finde ihn ätzend.“
    „Schokoladeneis“, bestellte Klößchen. „Nur
Schokolade, ja. Aber den größten Becher, den Sie haben. Wenn Sie keinen größten
haben, dann zwei.“
    Die Serviererin blickte auf die
Riesenbecher auf ihrem Tablett.
    „Genügt so einer?“
    „Fürs erste, ja.“
    Zwischen Klößchens aufgestützten Ellbogen ging das erste Freßfest zu Ende. Er zerkaute die Waffel und
ließ keinen Blick von der Kuchentheke, wo auch die Eisbecher verfertigt wurden.
    „Es hängt jetzt von Gehlert ab“, sagte
Tarzan, „ob die Falle zuschnappt. Komisch, sonst bin ich doch zuversichtlich.
Aber diesmal lastet mir der Trübsinn auf der Seele. Ich sehe die ganze Sache so
schwarz — wie die Fingernägel unseres Internats-Gärtners.“
    Er lehnte sich zurück, kippelte auf den
hinteren Stuhlbeinen und sah über die Straße. Wagen bewegten sich

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