Die Entlarvung
etwas herausfinde, bist du natürlich sofort wieder mit von der Partie.« Sie wechselte das Thema.
»Gibt es etwas Neues von Lucy?« Ben stand jetzt mit seiner Tochter in regelmäßigem Kontakt.
»Sie hat heute morgen angerufen. Nach dem Aufstehen ist ihr immer etwas übel, aber ansonsten geht es ihr gut. Ich kann es kaum glauben, daß ich im April Großvater sein werde. Ich freue mich schon richtig darauf.«
Julia lachte. »Sieh einmal einer an! Unser griesgrämiger, mürrischer Ben Harris … der unverbesserliche Pessimist. Und du redest davon, daß andere Leute schauspielern.«
Sie küßte ihn auf die Wange. »Im Prinzip hast du einen weichen Kern.«
»Den du aber erst hervorgebracht hast«, erwiderte er. »Was wünschst du dir zu Weihnachten?«
Julia zog die Stirn in Falten. »Hm, einen Nerzmantel? Nein, zu altmodisch. Außerdem möchte ich auf der Straße nicht angespuckt werden. Ein kleines Gehänge mit reichlich Diamanten wäre nicht schlecht.« Sie neckte ihn für ihr Leben gern. In ernstem Ton fügte sie hinzu: »Ein Wochenende in Fordingbridge – als Entschädigung für die Tage, die mir dieser Nichtsnutz Felix versprochen hatte. Irgendwann nach Weihnachten, das würde mir gefallen.«
»Sollst du haben«, versprach er. »Allerdings bin ich kein Angler.«
»Ich auch nicht. Wir lassen es uns beibringen. Wer paßt auf die arme Pussy auf?«
»Ich frage den Pförtner. Für einen Fünfer wird er ihr schon etwas Futter hinstellen.«
Sie verbrachten einen angenehmen, ruhigen Abend miteinander, sahen fern und unterhielten sich. Bevor sie neben ihm einschlief, dachte Julia: Wie bei einem Ehepaar – diese Mischung aus Leidenschaft und Kameradschaft. Ich habe mich noch keine Sekunde mit ihm gelangweilt. Manchmal ärgert oder verwirrt er mich, aber langweilig ist er nie. Sie legte ihren Arm um ihn, schmiegte sich enger an und schlief ein.
»Er hat mich ins Theater und anschließend zum Essen eingeladen«, verkündete Gloria.
Harold King blickte mißtrauisch auf. »Du gehst hoffentlich nicht? Mit so einem Versager?«
»Er hat Karten für die neue Othello-Inszenierung von Kennern Branagh. Ich würde das Stück gern sehen. Außerdem hast du selbst gesagt, daß ich mich um den Mann kümmern soll.«
»Damals, aber doch nicht jetzt«, entgegnete King ungeduldig. Er bemerkte ihre enttäuschte Miene. »Möchtest du denn mit ihm ausgehen?«
Sie zögerte. »Nicht, wenn du etwas dagegen hast. Ich bin an dem Stück interessiert, das ist alles.«
King zeigte sich sofort milder gestimmt. »Dann geh, Darling. Wenn es dir Freude macht. Wenigstens brauchst du so nicht an Mummys Wohltätigkeitsgala teilzunehmen.«
Sie lachten.
»Hatte ich sowieso nicht vor. Solche Veranstaltungen langweilen mich genauso wie dich, Daddy«, erklärte Gloria.
Leo Derwent. Seine Einladung hatte sie überrascht und neugierig gemacht. Von ihrem Vater hatte sie gehört, daß Derwent recht sonderbare sexuelle Praktiken bevorzugte. Sie fragte sich, worum genau es sich wohl handeln mochte.
Für den Abend legte Gloria ein paar sehr teure Schmuckstücke an. Leo Derwent machte ihr ein nettes Kompliment: »Sie sehen großartig aus, Gloria. Was für ein schönes Kleid.« Insgeheim dachte er, daß sie wie eine mit Diamanten behängte Vogelscheuche aussah. Grotesk. Warum hatte er nur in einem so vornehmen Restaurant einen Tisch bestellt? Er würde mit Gloria dort sicher auffallen …
Das Theaterstück fesselte Gloria, worüber er sehr erleichtert war. Während der Aufführung sprach sie kein Wort. In der Pause tranken sie Champagner und unterhielten sich über die Inszenierung. Sie überraschte ihn mit einigen recht intelligenten Bemerkungen und Ansichten. Für eine Weile vergaß er, wie unattraktiv sie war. Das anschließende Essen verlief jedoch sehr mühsam. Für Small talk schien sie nichts übrig zu haben, und das Thema Othello erschöpfte sich recht schnell. In Erinnerung daran, weshalb er sie überhaupt ausgeführt hatte, lenkte Leo das Gespräch auf Glorias Aufenthalt in den Staaten.
Sie sprang lebhaft darauf an. »Ich hatte eine wunderbare Zeit. Mein Vater hat mich auch früher schon einmal auf seine Geschäftsreisen mitgenommen, aber diesmal war es ganz besonders schön. Wissen Sie, er weist mich in alles ein.«
Leo lächelte sie an. »Damit Sie in seine Fußstapfen treten?«
Sie erwiderte sein Lächeln. Ihre blassen Wangen hatten sich rosig gefärbt. »Ja, eines Tages soll ich seinen Platz einnehmen.«
»Tatsächlich?« Leo war
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