Die Entlarvung
nicht länger gelangweilt. »Was für eine Herausforderung. Meinen Sie, Sie wären dazu in der Lage?«
Leicht gekränkt stieß sie hervor: »Wieso nicht? Mein Vater hält mich für fähig genug. Er sagt, daß ich das gleiche Geschäftstalent besitze wie er.«
»Sie sind viel zu attraktiv, um so clever zu sein«, schmeichelte er ihr.
Sie verzog keine Miene. Mit ihren blaßfarbenen Augen starrte sie ihn an und entgegnete nüchtern: »Männer finden mich für gewöhnlich nicht attraktiv.«
Er ließ sich davon nicht aus dem Konzept bringen. »Also wirklich, Gloria«, rief er lachend, »Sie wissen, daß das nicht wahr ist. Sie haben sehr viel zu bieten. Warum stellen Sie Ihr Licht unter den Scheffel?«
»Daddys Geld habe ich zu bieten, ich weiß«, sagte sie.
»Sie sehen das völlig falsch«, widersprach er. Allmählich begann ihm die Sache Spaß zu machen. »Soviel Geld schreckt die meisten Männer eher ab. Was sollen sie einer Frau auch bieten, die sowieso schon alles besitzt? Wie sollen sie je neben einem Schwiegervater bestehen können, der so erfolgreich ist wie Ihr Harold King …? Haben Sie sich das schon einmal unter diesem Aspekt überlegt? Hatten Sie viele Freunde?« Er schlug einen weicheren Tonfall an. »Ich hoffe, Sie nehmen mir meine Neugier nicht übel. Wenn doch, sagen Sie es nur …«
Sie schwieg für einen Augenblick. Andere Männer hatten sich mit ihr verabredet, aber selten öfter als ein- oder zweimal. Sie hatte sich tödlich gelangweilt, und den Männern war es nicht anders ergangen. Leo Derwent dagegen stellte eine Ausnahme dar. Seine Fragen waren provozierend, aber wenigstens schien er sie ernst zu nehmen.
»Ich finde Männer nicht attraktiv«, bemerkte sie schließlich. Erwartungsvoll sah sie ihn an. Sie war gespannt, wie er darauf reagieren würde. Er lächelte verhalten. Seine dünnen Lippen öffneten sich einen Spalt und gaben den Blick auf ebenmäßige, sehr weiße Zähne frei.
»Das liegt wahrscheinlich daran, daß Sie den Richtigen noch nicht getroffen haben. Jemanden, der weiß, wie man Sie behandeln muß. Sie sind wie Ihr Vater – eine starke Persönlichkeit … und damit eine ziemliche Herausforderung für jeden Mann. Mögen Sie Frauen?«
»Es ist allgemein bekannt, daß Sie sie mögen«, konterte sie. Er verzog das Gesicht. Für einen kurzen Augenblick wirkte seine Miene feindselig. Sie fragte sich, weshalb.
»Zumindest einige davon«, gab er zu und rang sich ein Lächeln ab. Führte die Ziege irgendeine Bosheit im Schilde? Seine Frage nach ihren sexuellen Präferenzen hatte sie jedenfalls nicht beantwortet. Sie war ihm ausgewichen. Er beschloß, das Thema zu wechseln. Eine interessante Information hatte er bisher aus ihr herausholen können. King hatte sie zu seiner Nachfolgerin bestimmt. Er nahm sie mit auf Reisen, weihte sie in seine Geschäftsgeheimnisse ein … Leo mußte in Erfahrung bringen, was der Vater ihr beibrachte.
King mochte vorhaben, ihn zu zerstören. Er aber würde zurückschlagen und den Feind an seiner empfindlichsten Stelle treffen. Kings eigene Tochter und Julia Hamilton würden ihm dabei helfen.
Sie bestellten den letzten Gang. Gloria suchte sich den kalorienhaltigsten Pudding auf der Speisekarte aus. Leo dagegen achtete sehr auf seine Figur. Er wählte ein Sorbet, das er nicht einmal besonders mochte – nur um ihr Gesellschaft zu leisten. Sie sagte kein Wort, während sie versunken ihren Pudding genoß. Erst nachdem sie den Löffel aus der Hand gelegt hatte, bemerkte sie: »Sie sind aber ein schlechter Esser. Hat es Ihnen nicht geschmeckt? Ich schlemme für mein Leben gern.«
»Ich esse auch sehr gern, muß aber auf mein Gewicht aufpassen. Übergewichtige Politiker geben keine gute Figur in unserer gesundheitsbewußten Gesellschaft ab.«
Sie betrachtete ihn mit leiser Verachtung. »Ist Ihnen das denn wichtig? Mir wäre es völlig egal, ob ich eine gute Figur abgeben würde oder nicht.«
»Mir ist es nicht egal, was für einen Eindruck ich mache«, erwiderte er. »Ich bin sehr ehrgeizig, wie eigentlich allgemein bekannt sein dürfte. Ich möchte an die Spitze gelangen. Wenn ich dazu auf mein Gewicht achten muß, dann beiße ich eben in den sauren Apfel.«
Gloria betrachtete ihn interessiert. »Sie wollen Premierminister werden?«
»Will das nicht jeder Politiker? Und jeder würde dafür gewisse Opfer in Kauf nehmen. Wissen Sie, mit den meisten Menschen könnte ich über so etwas überhaupt nicht reden. Sie denken wie ein Mann, Gloria –
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