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Die Entlarvung

Titel: Die Entlarvung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anthony Evelyn
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Green erspart blieb. In Joe Patricks Lieblingskneipe hatte ihm eine kleine Rothaarige schöne Augen gemacht. Vielleicht war sie noch da. Nach dem Abend mit Julia hatte er nicht nur Lust auf Pizza. »Tut mir leid, daß ich dir nicht helfen konnte«, sagte er.
    »Und wie du mir geholfen hast«, widersprach Julia. Zu seiner Überraschung stellte sie sich auf die Zehenspitzen und küßte ihn flüchtig auf die Wange. Dann verschwand sie in dem Taxi, das am Bordstein angehalten hatte. Felix sah ihr versonnen nach. Ja, die Rothaarige, entschied er sich. Sie war zwar nicht Julia, erinnerte ihn aber zumindest an sie.
    Er rief von einer Telefonzelle aus an. Der Anrufbeantworter spielte ihm Julias Nachricht an Ben vor.
    »Bin mit Felix etwas trinken gegangen. Hoffentlich bist du richtig eifersüchtig. Komme gegen neun zurück. Rufe dich dann an. Küßchen, Darling.«
    Jetzt war es erst kurz nach sieben. Er beschloß, die Konditorei in dem nahe gelegenen Einkaufszentrum aufzusuchen, um die Wartezeit bei Kaffee und Kuchen zu überbrücken. Er trank nie, wenn er einen Job auszuführen hatte. Süßem Gebäck konnte er jedoch nicht widerstehen. Nachdem er sich eine Weile in dem Café aufgehalten hatte, kehrte er zurück zu seinem Standort in Chelsea Green. Er verschanzte sich im Eingangsbereich eines Hauses, das dem Apartmentgebäude gegenüberlag. Zwei oder drei Fußgänger gingen vorbei, kümmerten sich aber nicht weiter um die Gestalt, die zusammengekauert vor dem dunklen Hauseingang stand. London wimmelte nur so vor Obdachlosen, die bei Tage bettelten und ihre Nächte in Torwegen und Zugängen verbrachten. Er war selbst überall auf diese Menschen gestoßen. Er trug dunkle Kleidung und Turnschuhe. Der Mantel verlieh ihm ein respektables Aussehen. Den Hut mit der breiten Krempe hatte er sich tief ins Gesicht gezogen. Mit seinen leichten Schuhen konnte er notfalls auch davonlaufen, was aber sicher nicht nötig sein würde. Er rechnete damit, das Haus ganz normal verlassen und im Londoner Getümmel untertauchen zu können. Am nächsten Morgen würde er dann mit der ersten Maschine nach Hause fliegen. Er besaß ein offenes Flugticket. Der Mord würde erst entdeckt werden, wenn er sich bereits hoch über den Wolken befand.
    Ein einzelner Mann betrat das Apartmenthaus. Ihm folgten nach einer Weile zwei Paare. Mike rührte sich nicht. Dann aber trat das ein, worauf er gewartet und gehofft hatte. Drei junge Leute, Teenager, gingen auf das Haus zu. Er hatte verschiedene Jugendliche kommen und gehen sehen, als er das Gebäude bei Tag beobachtet hatte. Eilig überquerte er die Straße, um die drei noch einzuholen. Eines der Mädchen schob gerade den Schlüssel ins Schloß, als er die Gruppe erreichte. Er drängte sich an ihnen vorbei, während das Mädchen die Tür für ihre Kameradinnen offenhielt. »Danke«, rief er ihnen über die Schulter zu, während er die Videokamera passierte und auf die Treppen zuging. Die Mädchen waren so ins Gespräch vertieft, daß sie ihn gar nicht richtig wahrnahmen. Damit hatte er gerechnet. Er hörte sie hinter sich tuscheln und lachen, als er bereits das zweite Stockwerk erreicht hatte. Kinder, dachte er und verzog den Mund. Seine eigenen hätten sich genauso gedankenlos verhalten. Hamiltons Apartment lag unterm Dach, im vierten Stock. Er ging langsam weiter, wobei er auf Geräusche lauschte, die von oben kamen. Vor dem Aufzug hielt er einen Augenblick inne und beobachtete das rote Signallicht, welches das Stockwerk anzeigte. Es blieb auf dem dritten Stockwerk stehen. Die Stimmen der Mädchen drangen zu ihm herunter. Er hörte, wie eine Tür geöffnet und wieder geschlossen wurde. Erst als alles ruhig war, ging er die übrigen Treppen in den vierten Stock hinauf. Nach rechts führte ein Gang zu zwei Apartments. Auf der linken Seite dagegen gab es nur eine Wohnung – Hamiltons Apartment. Durch eine Glastür betrat er einen schmalen Korridor, der nach ein paar Metern um die Ecke bog. Der dicke Teppich schluckte seine Schritte. Am Ende des Gangs sah er die schwere Mahagonietür, die zu Hamiltons Apartment führte. Die Nummer 403 prangte in bronzenen Ziffern auf dem dunklen Holz. Über der Tür bemerkte er das Auge einer Kamera. Auch dieser sackgassenähnliche Flur wurde also elektronisch überwacht.
    Er stand still und lauschte. Gegen neun wollte sie zurückkommen, hatte sie gesagt. Lange würde er nicht mehr warten müssen. Er drehte sich um und kehrte bedächtigen Schrittes ins Treppenhaus zurück.

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