Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Entlarvung

Titel: Die Entlarvung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anthony Evelyn
Vom Netzwerk:
Irgendwo in der Nähe mußte sich die Feuerleiter befinden. Suchend ließ er seinen Blick umhergleiten. Da hatte er sie auch schon entdeckt. Ein roter Pfeil wies auf die Stelle, an der ein Schild angebracht war: »Der Notausgang ist zu jeder Zeit freizuhalten.«
    Die Tür ließ sich durch einen einfachen Hebelmechanismus öffnen. Er trat hinaus auf die schmale, eiserne Plattform und schaute hinab in die Tiefe. Er kannte keine Höhenangst. Der Wind pfiff ihm eisig um die Ohren. Er hüllte sich fester in seinen Mantel und ging dann wieder hinein.
    Prüfend betrachtete er die Glastür vor dem schmalen Korridor. Er stieß sie auf und ließ sie zurückschwingen. Beim Einrasten ertönte ein deutliches Klicken. Es war nicht zu überhören, sicherlich auch draußen auf der Plattform nicht. Außerdem würde er die Tür zur Plattform einen Spalt offenlassen und den Hausflur so im Auge behalten. Wenn Hamilton allein zurückkam, würde er den Auftrag ausfuhren. Kam sie allerdings in Begleitung … Er weigerte sich, zwei Aufträge gleichzeitig zu erledigen. Warum sollte er zwei zum Preis von einem übernehmen? Sie war mit einem Mann weggegangen. Wenn sie ihn mitbrachte, würde er ins Hotel zurückgehen und es am nächsten Tag erneut versuchen. Er war ganz ruhig. Ein Aufschub würde ihn nicht aus der Fassung bringen. Er besaß starke Nerven, vermied aber trotzdem jegliches Risiko, wie gering es auch sein mochte. Er schlüpfte hinaus auf die enge Plattform, ließ die Tür einen winzigen Spalt offen und blickte hinauf zu den Sternen. Jetzt konnte er nur noch warten.
    Julia bezahlte den Taxifahrer, betrat das Haus und fuhr mit dem Lift in den vierten Stock. Es war später geworden, als sie beabsichtigt hatte – weit nach neun Uhr. Sie ließ die Glastür hinter sich zufallen und eilte zu ihrem Apartment.
    Dem Notausgang hatte sie keinen Blick geschenkt. Pussy kam ihr miauend entgegengesprungen. Julia bückte sich und kraulte die Katze hinter den Ohren. Dann ging sie zum Telefon, um nachzusehen, ob Ben sich inzwischen gemeldet hatte. Das Licht des Anrufbeantworters blinkte. Sie drückte auf die Play-Taste und hörte seine Stimme. »Lucy und ich gehen gleich essen. Abwechslung tut ihr gut. Wenn es nicht zu spät wird, rufe ich noch einmal an. Sonst morgen früh. Am Freitag kommen wir nach London. Und für dich keine Verabredungen mehr mit anderen Männern, hörst du? Bye, Liebling.«
    »Verdammt«, entfuhr es Julia. Ausgerechnet jetzt war er nicht da, wo sie ihn so dringend sprechen mußte. Sie verspürte keinen Hunger. Ihr war übel vor lauter Aufregung. Sie goß sich einen Drink ein und beschloß, ein Bad zu nehmen.
    Bevor sie in die Wanne stieg, öffnete sie eine Dose Katzenfutter und servierte Pussy eine Extramahlzeit, um sie für ihre einsamen Stunden zu entschädigen. Ben hatte sich schon beschwert, daß die Katze zu dick wurde. Julia steckte ihr allzuoft kleine Leckerbissen zu. »Wie es wohl wäre, wenn du ein Kind hättest …«, hatte Ben sie scherzhaft aufgezogen. »Bestimmt würdest du es bis zum Geht-nicht-mehr verwöhnen.« Sie zog sich aus, nahm den Drink mit ins Bad und ließ sich ins heiße Wasser gleiten … Ein Rätsel im Rätsel. Und es gab nur einen Weg, hinter das Mysterium zu gelangen. King mußte betrunken gemacht werden, da er unter Alkoholeinfluß die Kontrolle über sich verlor.
    Deshalb hatte er auch seit jener schicksalhaften Nacht vor über vierzig Jahren nie wieder einen Tropfen angerührt. Julia versank in tiefe Grübeleien. Sie merkte nicht, daß das Wasser allmählich kalt wurde. Ihr Drink stand unangerührt auf dem Wannenrand. King hatte Phyllis gestanden, die Gefangenen ermordet zu haben. Damit hatte er sich in ihre Hand begeben. Es gab Menschen, die Alkohol überhaupt nicht vertragen konnten und schon nach einem Glas die Kontrolle über sich verloren. Sie waren keine Alkoholiker, sondern litten unter einer Art Allergie. Sobald sie Alkohol zu sich nahmen, wurde ihr Verhalten hemmungslos und unkontrollierbar. Die Droge machte sie zu willenlosen Geschöpfen, die sich selbst nicht mehr steuern konnten. Solche Fälle gab es zwar selten, aber sie existierten. Harold King gehörte zu dieser Gruppe Menschen. Er war böse und schlecht. Aber nur unter Alkoholeinfluß wagte er es, sich öffentlich mit seinen Verbrechen zu brüsten.
    Sie stieg aus der Wanne, trocknete sich ab und zog einen Schlafanzug an. Den Rest Wodka kippte sie ins Spülbecken und machte sich statt dessen eine heiße Milch. Sie hoffte,

Weitere Kostenlose Bücher