Die Entlarvung
Eine halbe Flasche Wodka in diesem ekelhaften Gesöff – wie gefallt Ihnen das? Und wie weit Sie Ihr Maul aufgerissen haben …«
Durch den Aufprall war King wieder zu sich gekommen. Er richtete sich auf und lehnte sich gegen die Tür. Er hatte dieser Frau mit dem flammenden Haar alles gesagt. Er hatte geredet und geredet, ohne aufhören zu können. Er hatte die Kontrolle verloren – genau wie in jener Nacht mit Phyllis Lowe. Waren seine Erinnerungen einmal ins Rollen gekommen, ließen sie sich nicht aufhalten. Die Hitze, der Staub der nordafrikanischen Wüste hatten ihn eingeholt, als wäre er erst gestern dort gewesen.
Leos Stimme drang wie von weit her zu ihm durch. »Sie haben versucht, mich zu ruinieren, Sie Schweinehund. Sie haben diese verdammte Hure auf mich angesetzt und das kompromittierende Material an Western verkauft … Inzwischen hatte ich allerdings Gelegenheit, mich zu revanchieren und ein paar nette Aufnahmen von Ihrer Tochter zu machen.«
»Dafür werden Sie bezahlen!« schrie King. »Ich werde nicht eher ruhen, als bis Sie …«
»Sie drohen mir?« höhnte Leo. »Noch ein Wort, und ich lasse Sie aus dem Zimmer entfernen. Sie sind erledigt, Mann … Wir haben alles auf Band.«
Julia ließ das Aufnahmegerät gerade in ihrer Tasche verschwinden. King hechtete auf sie zu, aber sie wich ihm – nach einem Warnruf von Leo – geschickt aus.
Nach diesem letzten Aufbäumen schien King alle Kraft zu verlassen. Schwer atmend klammerte er sich an die Tür, während er von einem zum anderen blickte.
»Ihr könnt mir nichts anhaben«, stieß er aus. Er wirkte mit einemmal wie abgehoben. »Ihr habt nichts gegen mich in der Hand. Ich habe die ganze Geschichte nur erfunden … Mit mir könnt ihr es nicht aufnehmen. Ich bin viel zu mächtig. Ich bin mächtiger als Gott.« Er riß die Tür auf und stolperte nach draußen auf den Korridor.
»O mein Gott«, stöhnte Julia. Sie sank auf das Sofa. »Mein Gott«, wiederholte sie. »Ich bin völlig fertig. Mir ist ganz zittrig zumute.«
»Mir nicht«, frohlockte Leo. »Wir haben es geschafft. Der Kerl ist uns in die Falle gegangen. Das ist sein Ende. Ich werde dafür sorgen, daß unser Band an die richtige Stelle gelangt und er als Kriegsverbrecher angeklagt wird. Ich glaube, wir haben uns eine Flasche Champagner verdient.«
»Nicht für mich«, wehrte Julia ab. »Nach der Szene eben ist mir nicht nach Feiern zumute.«
Leo sah sie überrascht an. »Was haben Sie denn? Ich dachte, Sie würden vor Freude über Tische und Bänke springen … Sie haben Ihren Beweis – ein komplettes Geständnis. Mehr kann man sich gar nicht wünschen. Kommen Sie, wir wollen das Band abhören. Wo ist es denn geblieben?«
Er durchwühlte die Zeitungen, spähte unter den Tisch. »Wo ist es?« Aufgeregt schwang er herum.
»Ich habe es«, beruhigte Julia ihn. »Leo, es tut mir leid, aber ich möchte es erst einmal allein anhören. Danach überlasse ich es Ihnen gern. Wir sollten sowieso so schnell wie möglich Kopien anfertigen lassen. Außerdem müssen wir eidesstattlich für die Authentizität der Aufnahme bürgen. Noch haben wir nicht gewonnen. Sobald er wieder nüchtern ist, wird er mit dem Kampf gegen uns beginnen.«
»Sehr praktisch gedacht«, mokierte er sich. »Julia Hamilton, die eiskalte Lady. Was fließt eigentlich in Ihren Venen? Ein Antifrostschutz? Nichts für ungut, gehen Sie ruhig in Ihre Pension, und führen Sie sich das Band zu Gemüte. Ich hole es mir dann später ab. Jetzt wird aber erst mal gefeiert. Da fällt mir ein …« Er dachte einen Moment nach. »Ob ihn wohl sein Chauffeur hergebracht hat? Die Straßen hinauf zu seiner Villa sind ziemlich kurvenreich … Das wäre natürlich auch eine Lösung.« Er lachte.
Julia stand auf. »Mir wäre es lieber, wenn er vor ein Gericht gestellt würde«, sagte sie leise. »Das sind wir seinen Opfern schuldig.« Sie ging, ohne sich zu verabschieden.
»Ich bin betrunken«, murmelte King laut vor sich hin. »Ich bin tatsächlich betrunken. Eigentlich sollte ich nicht fahren.« Er war vor dem Hoteleingang in seinen Wagen gestiegen und nach einigen Startschwierigkeiten losgefahren. Die Straße vor seinen Augen verschwamm, er konnte seine Umgebung nur sehr undeutlich erkennen. Als sich zudem alles zu drehen begann, fuhr er an den Bordstein und hielt an. Er mußte warten, bis sein Rausch nachließ. Vielleicht würde er sogar ein wenig schlafen. Er hatte sein Geheimnis ausgeplaudert, hatte wieder einmal die
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