Die Entlarvung
sie den Raum verließ.
Seit seiner Antrittsrede im Parlament war Leo Derwent nicht mehr so nervös gewesen. Unruhig lief er in seinem Zimmer auf und ab. Sein Magen verkrampfte sich, als die Rezeption anrief, um ihn über Harold Kings Eintreffen zu informieren.
»Führen Sie ihn bitte herauf«, verlangte er.
Der Höflichkeit halber hätte er Glorias Vater eigentlich in der Eingangshalle abholen müssen. Aber er wollte es nicht riskieren, daß King einen Besuch in der Bar vorschlug … Er trat auf den Korridor hinaus, um seinen Gast in Empfang zu nehmen. In dem Moment öffneten sich die Fahrstuhltüren. King trat heraus, gefolgt von einem Pagen.
»Guten Abend, Harold«, rief Leo und eilte auf ihn zu. Er drückte dem Hoteljungen ein paar Franken in die Hand und führte seinen Gast auf sein Zimmer. »Sie entschuldigen bitte, daß ich nicht hinuntergekommen bin. Ich mußte ein wichtiges Gespräch aus London entgegennehmen. Die Pflicht läßt einen nie ruhen, nicht wahr?«
King brummte etwas Unverständliches. Ein Anruf aus London … So ein Angeber, wollte sich wohl wichtig machen. Er sah sich demonstrativ in dem Zimmer um. »Nettes Plätzchen«, sagte er. »Muß Gloria eine hübsche Stange Geld kosten.«
Leo errötete, faßte sich jedoch gleich wieder und bot seinem Besucher lächelnd einen Platz an. »Ich freue mich sehr, daß Sie gekommen sind. Hoffentlich habe ich Ihnen nicht allzu große Umstände bereitet. Darf ich Ihnen ein Glas Ihres Lieblingsgetränks anbieten?« Er ging zu einem kleinen Beistelltisch, auf dem ein Krug mit der Grenadine und dem Zitronensaft stand. Neben Eiswürfeln hatte er der Mixtur auch eine halbe Flasche hochprozentigen Wodka hinzugefügt. Nachdem er das Ganze mehrmals durchgequirlt und umgerührt hatte, war von dem Alkohol nichts mehr zu bemerken. Das Getränk schmeckte einfach nur nach der bittersüßen Mischung aus Zitrone und Granatapfel. Leos Hand zitterte leicht, als er die hochprozentige Mischung zusammen mit etwas Perrierwasser in ein Glas füllte. Mit einem Cocktailstab rührte er den Drink ein letztes Mal um und reichte ihn Harold King. »Ich bin bei Gloria in die Lehre gegangen. Hoffentlich habe ich nichts falsch gemacht.«
King nahm das Glas entgegen und stellte es neben sich ab. »Was soll das alles, Leo? Weshalb wollten Sie mich sprechen?«
Leo atmete tief durch. »Ich hole mir nur noch ein Glas Wein. Muß mir ein wenig Mut antrinken«, fügte er hinzu. Er goß sich einen Chablis ein und setzte sich Harold King gegenüber. Sein Blick wanderte unaufhörlich zu dem Drink, den sein Gast nicht anrührte. Bei sich zu Hause kippte er das Zeug immer in Windeseile in sich hinein. Hatte er vielleicht doch etwas bemerkt?
King starrte Leo feindselig an. »Also? Was gibt es?« drängte er.
Leo hob sein Glas. »Auf Ihre Gesundheit«, rief er.
King reagierte nicht.
»Ich habe Sie hergebeten, weil ich … nun, weil ich etwas Persönliches mit Ihnen besprechen möchte. Ich würde gern Ihre Meinung dazu erfahren. Schmeckt Ihnen der Drink?«
»Wie soll ich das wissen? Ich habe ihn nicht probiert«, giftete King. »Kommen Sie endlich zur Sache. Ich habe nicht viel Zeit.« Es ging um Gloria, da war er sich jetzt sicher. Dieser unverfrorene Wichtigtuer sah sich wohl schon als Familienmitglied … King spürte, wie sich sein Puls beschleunigte.
»Gloria und ich kennen uns nun schon seit einer Weile«, setzte Leo an. Seine Kehle war so ausgetrocknet, daß er an seinem Wein nippen mußte, bevor er fortfahren konnte. Die Eiswürfel in Kings Drink fingen an, sich aufzulösen.
»Ja, und? Ihre Bekanntschaft mit meiner Tochter ist nichts Neues für mich. Über Glorias Geschmack läßt sich streiten, aber mich geht das letztendlich nichts an.«
»Ich weiß, daß Sie mit unserer Beziehung nicht einverstanden sind.« Leo machte sich allmählich keine Hoffnungen mehr. King rührte das Getränk nicht an. Und er ließ sich wahrscheinlich nicht viel länger festhalten. Aus dem Plan schien nichts zu werden. »Gloria hat mir gesagt, wie Sie über mich denken. Ich kann Sie gut verstehen. Wenn Gloria meine Tochter wäre, würde ich mir auch Sorgen machen. Ich wollte Sie in dieser Hinsicht gern beruhigen.«
King sah ihn ungehalten an. »Ihre Beruhigung brauche ich nicht. Wovon, um Gottes willen, sprechen Sie eigentlich?« Er richtete sich kerzengerade auf, so als wolle er im nächsten Augenblick aufstehen und gehen.
Verzweifelt setzte Leo alles auf eine Karte. »Ich liebe sie«, erklärte er.
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